Weichspüler im System
An diesem Freitag wird in Berlin der Deutsche Filmpreis verliehen
Anmerkungen aus berufenem Munde zum an diesem Freitag verliehenen Deutschen Filmpreis lassen Schlimmes ahnen – zum Zustand des deutschen Films im Allgemeinen und zum Förder- und Auszeichnungssystem im Besonderen. »Es gab mal eine mutigere Regisseur-Generation, Künstler wie Werner Herzog, Wim Wenders oder Volker Schlöndorff«, sagte kürzlich Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Dass das ebenfalls keine besonders mutige Äußerung, sondern eher der kleinste gemeinsame Nenner einer (west-)deutschen NachkriegsFilmbetrachtung ist, mag ihr selber aufgegangen sein. Also drehte sie noch schnell »das System« durch den Wolf: »Ich fürchte, dass unser System manche spektakuläre Filmidee schon im Keim hemmt.« In den Fördergremien würden »gute Ideen manchmal so herunterdekliniert, dass nur ein weichgespültes Produkt herauskommt«.
Mal abgesehen davon, dass immer – und auch zu Zeiten der im Übrigen allesamt noch höchst aktiven Herzog/Wenders/Schlöndorff – vorherrschend »weichgespülte« und massenkompatible Leinwandstoffe produziert wurden, so tut Grütters der aktuellen Nominiertenliste des Deutschen Filmpreises etwas unrecht: Kann man den formal sensationellen Adrenalin-Thriller »Victoria« von Sebastian Schipper, den ästhetisch und inhaltlich mindestens zu leidenschaftlicher Diskussion anregenden »Wir sind jung, wir sind stark« von Burhan Qurbani, Edward Bergers berührendes Heimkind-Porträt »Jack« oder den für einen deutschen Film ungeahnt konsequenten und zynischen »Zeit der Kannibalen« von Johannes Naber allen Ernstes als »weichgespült« bezeichnen? Wohl kaum. Gut – Giulio Ricciarellis Drama um die Vorbereitung der Auschwitz-Prozesse »Im Labyrinth des Schweigens« ist bemüht, aber missglückt. Und tatsächlich nichts in dieser Reihe verloren hat der trotz glatter Perfektion flache Unterhaltungskrimi »Who am I – Kein System ist sicher« von Baran bo Odar. Zu Grütters’ Unterstützung muss man aber ergänzen, dass diese sechs als »bester Film« nominierten Werke nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges von etwa 230 deutschen Filmen sind, die 2014 produziert wurden – doppelt so viele wie vor zehn Jahren.
Kritik am »System« Deutscher Filmpreis – mit knapp drei Millionen Euro die höchstdotierte Kulturauszeichnung Deutschlands – übt auch der Regisseur Christoph Hochhäusler (»Die Lügen der Sieger«). »Ich glaube, der Deutsche Filmpreis sagt weniger denn je etwas über den Zustand des deutschen Films aus«, sagte Hochhäusler dem Mediendienst »Planet Interview«. Die Deutsche Filmakademie, deren 1600 Mitglieder die Filmpreise vergeben, seien eine Fehlkonstruktion: »Es ist falsch, über Filme innerhalb der Branche abzustimmen. Das wird immer nur das verstärken, was schon Erfolg hat.«
Doch die Werke, die in Deutschland tatsächlich schockierend erfolgreich sind, also die Filme von Matthias Schweighöfer, Til Schweiger oder der Macher von »Fack ju Göhte«, werden ja gar nicht ausgezeichnet. Gleichzeitig schönt man aber gerne die Statistiken mit ihnen. So rümpft auch Grütters die Nase über jene jungen Er- folgsregisseure. Sie wolle ihnen nicht zu nahe treten, interessiere sich als Kulturfunktionärin für deren »gekonnte Unterhaltung« aber eher nicht. Diese höchst nachvollziehbare Haltung sei ihr unbenommen. Aber warum muss sie dann immer so offensiv mit dem Marktanteil des deutschen Films (2014: 27 Prozent) hausieren gehen, der doch vor allem jenen laut Grütters »nicht mutigen« Regisseuren zu verdanken ist?
Da er von der Filmakademie eisern (und zu Recht) ignoriert wird, reicht der beleidigte Til Schweiger seine Filme schon gar nicht mehr ein. Immerhin: Eine »Lola« wird er dieses Jahr dennoch erhalten, für »Honig im Kopf« – als den »besucherstärksten Film des Jahres«.