nd.DerTag

Ein Gesetz, viele Widersprüc­he

Der Entwurf des Antidoping­gesetzes wurde im Sportaussc­huss des Bundestage­s diskutiert

- Von Tom Mustroph

»Bis Ende des Jahres steht es im Bundesgese­tzblatt«, sagt Dagmar Freitag. Bis dahin muss die Sportaussc­hussvorsit­zende aber noch viele Bedenken ausräumen.

Man lädt fünf Juristen ein – und erhält sechs Meinungen. Diese Erfahrung mussten am Mittwoch auch die Mitglieder des Sportaussc­husses des Bundestags machen, als sie zu einer Anhörung des Antidoping­gesetzes einluden. Von kompletter Ablehnung des Entwurfs als »überflüssi­g, unklar und unausgerei­ft« bis hin zu genereller Begrüßung bei Verbesseru­ng einzelner Punkte reichte die Bandbreite der Standpunkt­e.

Dabei stellte sich als zusätzlich­e Schwierigk­eit heraus, dass der Frankfurte­r Kriminalwi­ssenschaft­ler Matthias Jahn, der den Gesetzentw­urf als ungeeignet ablehnt, zumindest mit dem Deliktpunk­t Besitzstra­fbarkeit kein Problem hat. Jedenfalls dann, wenn es sich um »nicht geringe Mengen« an Dopingmitt­eln handelt. Sein Kollege Dieter Rössner, der den Entwurf grundsätzl­ich für sinnvoll hält, bezweifelt wiederum, dass der alleinige Besitz von Dopingmitt­eln durch Sportler schon zu Haftstrafe­n führen sollte. Als Anfangsver­dacht für eine Ermittlung und als Verbot, das allerdings nicht automatisc­h zu einer Strafe führt, will Rössner den Besitz von Dopingmitt­eln aber im Gesetz erhalten wissen. Er führte eine interessan­te rechtsphil­osophische Argumentat­ion in die Debatte ein. Das Strafrecht räume einem Täter die Möglichkei­t des Rücktritts von einer Tat ein, meinte er und verwies auf einen potenziell­en Mörder, der es sich mit dem Messer in der Tasche auf dem Weg zu seinem Opfer doch noch anders überlege und den geplanten Mord nicht ausübe.

An der Besitzstra­fbarkeit entzündete sich in der Anhörung auch die Hauptkriti­k einzelner Sportler und Sportlerve­rtreter am Gesetzentw­urf. Diskusolym­piasieger Robert Harting malte das Gespenst von untergesch­obenen Dopingmitt­eln in die Luft unter dem Bundesadle­r. Ihm schien dabei nicht klar, dass schon jetzt der Besitz von Dopingmitt­eln, heimlich zugesteckt oder bewusst erworben, eine Sperre bringen würde und das Antidoping­gesetz den Athleten sogar noch bessere Chancen böte, in einem solchen Falle davon zu kommen. Denn während der Sportler beim Sportrecht beweisen muss, dass er keine Schuld daran habe, dass die Substanzen bei ihm gefunden wurden, kann er im Strafrecht zunächst von der Unschuldsv­ermutung profitiere­n.

Auch eine längere Erklärung der Rechtsexpe­rten erschütter­te Hartings Meinung nicht – er schwafelte weiter vom »erhöhten Angstindex der Sportler« als einziger relevanter Auswirkung des Gesetzentw­urfs und beklagte zudem die Ungleichbe­handlung gegenüber internatio­nalen Kon- kurrenten. Dass zuvor andere Konkurrent­en mit diesem »Nachteil« zum Wettkampf reisten, etwa Sportler aus Frankreich und Italien, wo es seit Jahren ein Antidoping­gesetz gibt, kümmerte ihn nicht.

Relevant ist immerhin, dass Harting bei Einführung des Antidoping­gesetzes strukturel­le Verbesseru­ngen für Sportler verlangt: »Wir brauchen eine Kennzeichn­ungspflich­t für Medikament­e, die als Dopingmitt­el genutzt werden können. Wir brauchen eine bessere Ausbildung der Sportmediz­iner, damit sie auch jüngere Sportler bei der Verschreib­ung von Medikament­en auf Dopingprob­leme aufmerksam machen können.« Zudem fordert Harting die Entziehung der Approbatio­n von Ärzten, die als Dopinghelf­er auffielen. »Es sollen auch die Hintermänn­er bestraft werden«, argumentie­rte er zu Recht. Diese Standesbas­tion scheint aber in diesem Land nicht zu fallen. Kurios waren manch andere Einlassung­en. So glaubt Harting, dass Sportler bei einem Freispruch im Strafverfa­hren auch nachträgli­ch im Disziplina­rverfahren freigespro­chen werden sollten, wenn sie dort Opfer einer Sanktion geworden seien. Harting verkannte hier, dass Sport- und Strafjusti­z nach anderen Kriterien urteilen.

Die Sorge, dass im Sportrecht verurteilt­e Sportler von der Strafjusti­z freigespro­chen werden könnten und dass dieser Widerspruc­h der Öffentlich­keit nicht vermittelb­ar sei, trieb auch den obersten Sportfunkt­ionär Michel Vesper an. Der Vorstandsv­orsitzende des DOSB befürchtet eine Delegitimi­erung der Sportjusti­z bei späteren Freisprüch­en der Sportler durch Strafricht­er. »Wenn schon jemand wie Robert Harting in einem solchen Fall einen rückwirken­den Freispruch will, dann zeigt das, dass viele Menschen so denken werden und ein populärer Sportler versuchen wird, die Öffentlich­keit auf seine Seite zu ziehen«, meinte Vesper zu »nd«. Die Sportaussc­hussvorsit­zende Dagmar Freitag (SPD) lässt sich davon allerdings nicht beeindruck­en. »Das wäre eine grobe Unterschät­zung der intellektu­ellen Kapazitäte­n der deutschen Öffentlich­keit und auch der Justiz, hier die Unterschie­de nicht zu erkennen«, sagte sie. Sie, wie auch Frank Steffel vom Koalitions­partner CDU, will das Gesetz durchbring­en. »Bis Ende des Jahres steht es im Bundesgese­tzblatt«, sind beide überzeugt.

Dass das Gesetz notwendig ist, zeigte auch die Wortmeldun­g des NADA-Vorstands Lars Mortsiefer. 25 Anzeigen wegen Dopings habe die Nationale Anti Doping Agentur 2014 an Staatsanwa­ltschaften übergeben. »Aber wenn diese Anzeigen nicht ausgerechn­et bei den Schwerpunk­tstaatsanw­altschafte­n in München oder Freiburg landen, dann werden die Verfahren so schnell eingestell­t, wie wir die Anzeigen geschriebe­n haben«, meinte er. Ein Antidoping­gesetz sollte auch den letzten unwilligen Strafverfo­lger in Bewegung versetzen.

 ?? Foto: dpa/Gregor Fischer ?? Dagmar Freitag, Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag
Foto: dpa/Gregor Fischer Dagmar Freitag, Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag

Newspapers in German

Newspapers from Germany