Kommentator der Nation
Als »der vertrauenswürdigste Name in Sachen gefälschte Nachrichten« gilt der Talker, Satiriker und Host der »Daily Show« in den USA schon lange. Mit dem Kollektivversagen der meisten US-Redakteure während der Bush-Ära und dem gleichzeitigen Siegeszug ultrarechter und heute dominanter Propagandisten nicht nur bei »Fox News« stieg er vom Meister der satirischen »Fake-News« zusätzlich zum superpopulären Symbol einer ernsthaften Gegenöffentlichkeit auf. Mit seinem Auftritt nach dem rassistischen Attentat von Charleston hat Jon Stewart nun einen neuen Status erreicht: den eines elder Statesman, der wie kaum ein anderer Kommentator die Gefühle vieler USAmerikaner auf den Punkt bringt.
Der 52-Jährige ist alles andere als volkstümlich. Eine emotionale Verbrüderung mit »dem amerikanischen Volk«, wie dies die »FoxNews«-Konkurrenz gerne in einem grotesk dramatisierten »Schatten des Terrors« zelebriert, ist dem New Yorker Zyniker mit den jüdischen Wurzeln völlig fremd. Umso ergreifender sind die Momente, in denen Stewart seinen Schalk und seine Schlagfertigkeit, seinen hochintelligenten Sarkasmus und seine sprühende Respektlosigkeit als von den Ereignissen überrannt akzeptiert. Wenn ihm keine Witze mehr einfallen und seine dann ru- higen, aber rührenden Analysen einen Pathos entwickeln, der die Menschen nach einem Drama Gemeinsamkeit fühlen lässt, ohne in klebrige Gefühlsduselei oder politische Instrumentalisierung zu verfallen. Am Donnerstagabend war so ein Moment.
»Ich habe heute meinen Job nicht erledigt. Ich habe nichts für Sie – nur Traurigkeit«, sagte er statt der normalen anfänglichen Witzkanonade. »Wir sehen diese rassistische Wunde, die nicht heilen will, und tun so, als existiere sie nicht.« Hätte diese Morde aber ein Islamist verübt, würden die USA »nun zwei Länder erobern«. Auch der Begriff »Tragödie« passe nicht: »Das war kein Tornado, das war ein Rassist.«
Jon Stewart hört im September bei der »Daily Show« auf. Die USA werden dann sprachloser sein.