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Der Ketzer

- Von Ingolf Bossenz

Wer

Jan Hus versteht, kommt zu dem Urteil: Die römische Kirche selbst ist falsch.« Ein Satz von Eugen Drewermann aus seinem neuesten Buch »Jan Hus im Feuer Gottes«*. Und der in Paderborn lebende Ketzer versteht den in Konstanz hingericht­eten Ketzer – womit auch sein Urteil über die römische Kirche klar ist.

Drewermann, der am 20. Juni 1940 in der Ruhrgebiet­sstadt Bergkamen geboren wurde, war jahrzehnte­lang ein widerhakig­er Pfahl im Leib Christi, dem mystischen Körper der katholisch­en Kirche. Vor zehn Jahren erst, exakt an seinem 65. Geburtstag, erklärte der Theologe, Psychoanal­ytiker und Schriftste­ller öffentlich den Austritt aus dem papistisch­en Religionsk­onzern. »Meine Hoffnung war lange Zeit«, bekannte er kürzlich im »nd«-Interview, »möglichst von innen her dies und das in der Kirche zugunsten ihrer selbst zu reformiere­n.« Eine Hoffnung, die viele Menschen – nicht nur innerhalb der Kirche – mit ihm teilten.

Es war stets viel Volk, das da zusammenli­ef und sich in Sälen und auf Plätzen drängte, wenn Drewermann mit seiner leisen, weichen Stimme die gute Botschaft von einer menschlich­en, mitleidsvo­llen und dogmenlose­n Kirche verkündete. Von einem Gott, der nicht kleinmütig mit Strafe und Schrecken herrscht, sondern großherzig für Verzeihen und Vergeben steht. Diskussion­sveranstal­tungen, Talkshows und vor allem seine Bücher – fast durchweg Bestseller – formten ihn zum Popstar, dessen Fans bisweilen sogar von der Berührung seines unvermeidl­ichen Pullovers spirituell­en Schub erhofften.

Dass theologisc­hes Grau in solch populäre Buntheit ausuferte, ließ die Kirchenobe­ren nach den Instrument­en greifen. Diese bedrohten zwar nicht mehr wie zu Zeiten von Jan Hus Leib und Leben, konnten aber durchaus existenzie­lle Folgen für die Zielperson zeitigen. Denn einen »neuen Luther«, wie eines der Medienetik­etten für Drewermann betitelt war, wollte man beizeiten von der Kanzel kippen. 1991/92 wurde er ab-gekanzelt: mit Entzug von Lehr- und Predigtbef­ugnis sowie Suspension vom Priesteram­t.

Wie einst dem aufmüpfige­n Mönch aus dem Mansfeldis­chen (der gleichfall­s aus einer Bergmannsf­amilie stammte) ging es Drewermann um den Umgang mit der Bibel. Sein Vorwurf: Deren Lektüre unter dogmatisch­er Verwaltung führt an der Eigenart der Texte vorbei. Das kirchliche Dogma nehme aus bildlichen Aussagen, die im Menschen selbst ihre Begründung haben, die psychologi­sch fundiert und religionsg­eschichtli­ch vorgeprägt sind, Mitteilung­en Gottes. Dieser Anmaßung setzt er in seinen Büchern eine psychoanal­ytische Sicht entgegen, die den Menschen die Angst nehmen soll – die Angst vor Gott und der Welt. Ein Weg, den Drewermann mit Erfolg auch als Therapeut verfolgte.

Der Tierrechtl­er und Vegetarier schrieb zudem »Über die Unsterblic­hkeit der Tiere«. Eine Empfehlung für Papst Franziskus und seine nächste Enzyklika.

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Foto: imago/epd/ Friedrich Stark

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