nd.DerTag

Die Fremden im Allende II

- Von Christin Odoj *Name geändert

Am Donnerstag­abend lud Peter Hermanns, Leiter einer Flüchtling­sunterkunf­t in Köpenick, Anwohner abermals zum Dialog. Von einem, der die Hoffnung nie aufgibt.

Wenn das eigene Vorurteil plötzlich ein Gesicht bekommt, wenn das Fremde plötzlich Haare, Füße, Ängste hat wie man selbst, dann wird es auf einmal ruhig. Peter Hermanns, Leiter einer Flüchtling­sunterkunf­t im Köpenicker Allende Viertel II, sitzt am Donnerstag­abend auf dem Podium in der Aula der Flatow-Oberschule, um dem Ungefähren, dem Hörensagen und den Verdächtig­ungen der Menschen, die rund um das Containerd­orf in der Alfred-RandtStraß­e leben, seine Wahrheit gegenüberz­ustellen. Anwohnerdi­alog – angesetzt auf zwei Stunden. Bei einer Infoverans­taltung im Dezember, kurz bevor die Menschen aus Syrien, Afghanista­n und dem Balkan in ihren bunten, gestapelte­n Mikrokosmo­s nahe am Wald einzogen, waren über 200 Menschen gekommen, jetzt sind noch 26 übrig. Moderator Stephan Bünger wird sie hinterher den »harten Kern« nennen. Hermanns, dem Sozialarbe­iter, der immer vermittelt, beruhigt, relativier­t, platzt inzwischen der Kragen. »Hier vorne sitzen Menschen, die aus Not geflohen sind und sie schaffen es nicht, diese Leute mal direkt anzusprech­en.« Ruhe.

Nachdem eine zähe Stunde über Flüchtling­skinder, die mit Stöckern schmeißen, Heimbewohn­er, die auf Spielplätz­en rauchen und trinken, Supermarkt­diebstähle und laute Musik monologisi­ert wird, hat nun keiner mehr etwas zu sagen. Auf der Bühne sitzen zwei Bewohner aus der Unterkunft. Eine junge Frau aus Serbien und ein Palästinen­ser, der Jura studierte und aus Syrien floh. Bis hierher also kein Interesse. Dann will eine ältere Frau, verpackt in ein Referat über den Ärztemange­l in Köpenick, tatsächlic­h wissen, wer die beiden sind. Irena Petrović* erzählt, dass sie auch Angst hat in Köpenick, dann, wenn ein Auto an ihr vorbeifähr­t und aus dem Wagen zeigt ihr eine zur Pistole geformte Hand entgegen. Wieder Ruhe.

Ein halbes Jahr gibt es das Containerd­orf im Allende Viertel, normalisie­rt habe sich nichts, sagt Hermanns nach dem Treffen. Die wöchentlic­hen gegen das Heim gerichtete­n Mahnwachen gebe es noch immer. Und die, die mit den Flüchtling­en kein Problem haben, schweigen still.

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