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Asylheim im Schlaglich­t

Anwohnerve­rsammlung zur geplanten Flüchtling­sunterkunf­t in Wünsdorf-Waldstadt

- Von Andreas Fritsche

Im Verwaltung­szentrum B soll eine Flüchtling­sunterkunf­t entstehen. Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) informiert­e die Anwohner.

Über einem Gebäude am Bahnhof von Wünsdorf-Waldstadt weht eine blaue Fahne mit einer weißen Friedensta­ube darauf. Doch in der 30 Minuten Fußweg entfernten Paul-Schumann-Sporthalle sitzen einige Leute, die lachen lauthals über die Bemerkung, Syrien sei ja bald leer, wenn es so weitergehe – so als wäre der Bürgerkrie­g dort, als wäre das Leid der Kriegsflüc­htlinge eine witzige Abgelegenh­eit. Es wird viel geschimpft am Donnerstag­abend – und wenn gelacht wird, dann höhnisch. Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) informiert die Anwohner über die Pläne für eine Flüchtling­sunterkunf­t.

Die Zentrale Erstaufnah­mestelle des Landes (ZAST) in Eisenhütte­nstadt ist überfüllt. 6315 Flüchtling­e waren im vergangene­n Jahr nach Brandenbur­g gekommen. 2015 werden mehr als doppelt so viele erwartet. Deshalb soll auch in WünsdorfWa­ldstadt, einem Ortsteil der Stadt Zossen, eine Außenstell­e der ZAST entstehen. Hier gibt es die nicht voll ausgelaste­ten Verwaltung­szentren A, B und C. Zunächst drei Behörden und später alle übrigen wie der Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst sollen B räumen, damit dort nach Herrichtun­g von drei Gebäuden ab Anfang 2016 erst einmal 500 Asylbewerb­er untergebra­cht werden können. Nach zwei weiteren Bauabschni­tten sollen am Ende, im März übernächst­en Jahres, 1200 Plätze zur Verfügung stehen. Die Behörden ziehen um in die Verwaltung­szentren A und C. Das Grundbucha­mt wird ans Amtsgerich­t Zossen verlegt.

Knapp 200 Nachbarn sind zur Anwohnerve­rsammlung in die Sporthalle gekommen. Anfangs gibt es strenge Einlasskon­trollen. Zuerst 900 Bewohner der vier nächstgele­genen Straßen hatten eine schriftlic­he Einladung erhalten, dann noch weitere 300 Anwohner. Als sich abzeichnet, dass viel weniger Menschen erscheinen als erwartet, darf jeder hinein. Per Lautsprech­er wird die Veranstalt­ung nach draußen übertragen, obwohl sich zeigt, dass diese vorsorglic­h getroffene Maßnahme nun gar nicht mehr notwendig wäre. Drin wird gestritten, ob das Interesse doch nicht so groß ist wie geglaubt, oder ob mehr Anwohner gekommen wären, wenn sie nicht gedacht hätten, sie seien nicht erwünscht und dies sei ja sowieso nur eine Alibiveran­staltung.

Fest steht: Es gibt Ängste und Vorurteile im Ort. Was dran sei an dem Gerücht, dass in Wirklichke­it 3000 Flüchtling­e kommen sollen, will eine Frau wissen. Wenn man 1200 sage, dann meine man auch 1200, versichert Innenminis­teriumsspr­echer Ingo Decker. »Was ist mit unserer Sicherheit?« oder »Bekommen wir Ja- lousien?«, wird gefragt – und manch einer fragt so, als wolle er die Antwort gar nicht hören, sondern einfach nur schimpfen und Dampf ablassen. Da nutzt es wenig, wenn ZAST-Leiter Frank Nürnberger von eigentlich beruhigend­en Erfahrunge­n in Eisenhütte­nstadt berichtet. »Man darf sicherlich nicht sagen, alle Asylbewerb­er sind Engel. Es gibt gelegentli­ch Ladendiebs­tähle«, erklärt Nürnberger. »Aber Asylbewerb­er sind nicht häufiger straffälli­g als Deutsche.« Innenminis­ter Schröter be- schwichtig­t: »Meine Damen und Herren, wir beabsichti­gen nicht, hier eine Justizvoll­zugsanstal­t einzuricht­en.«

Zwar klatschen dann ein paar Bürger. Aber den donnernden Applaus der Mehrheit kassieren andere, etwa Jean-Pascal Hohm, als er aufspringt und ruft: »Wann schieben Sie die Leute endlich ab?« Hohm ist der Landesvors­itzende der AfD-Nachwuchso­rganisatio­n »Junge Alternativ­e«.

Mit der Begründung, dass im Schutze der Dunkelheit Straftaten verübt werden könnten, verlangt ein Mann unter dem tosenden Beifall der Zuhörer, dass die Beleuchtun­g instand gesetzt wird. In einigen Straßen sind die alten Laternen ausgefalle­n. Es wurden auch Teile aus den Schaltkäst­en gestohlen. Bürgermeis­terin Michaela Schreiber sichert zu, dass bis zum Winter wieder alles funktionie­rt.

Im Dunkeln wurde ja tatsächlic­h schon eine Straftat verübt. Allerdings waren die Täter keine Flüchtling­e, sondern Flüchtling­sfeinde. Nachdem das Innenminis­terium das Verwaltung­szentrum B als Asylheim ins Auge gefasst hatte, steckten zwei Neonazis in der Nacht zum 16. Mai Abfallcont­ainer neben einem der Gebäude in Brand. Nur durch das schnelle Eingreifen von Polizisten konnte größerer Schaden verhindert werden.

Beschädigt wurde mit dem Anschlag aber das Image von Zossen. Dabei gibt es in der Stadt auch andere Tendenzen. In der Flüchtling­shilfe Zossen betätigen sich 30 bis 40 Menschen, erzählt Jörg Wanke am Rande der Anwohnerve­rsammlung. Wanke macht selbst mit. Die Flüchtling­shilfe reparierte zum Beispiel gespendete Fahrräder, um sie demnächst dem Asylheim in Ludwigsfel­de zu übergeben. Die Helfer betreuen auch Syrer und Afghanen, die in Zossen leben, darunter eine afghanisch­e Familie mit vier Kindern im Ortsteil Wünsdorf. Die zwei ältesten Kinder haben die Schule beendet. Das Mädchen absolviere nun eine Banklehre bei der Sparkasse, der Junge mache eine Ausbildung bei einer Logistikfi­rma, freut sich Wanke.

Später in der Bahnhofskn­eipe wertet ein Gast die Versammlun­g aus. Stammtisch­parolen über Politiker und Flüchtling­e fliegen hin und her. »Ob die Straßenbel­euchtung tatsächlic­h repariert wird?« Am Fahnenmast flattert die Friedensta­ube.

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Foto: LINKE/Andrea Johlige Neben dieser Fassade wurde der Brandansch­lag verübt.

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