Pulverdampf und Bernsteinschatz
Störtebeker Festspiele punkten mit Kämpfen, Stunts und viel Intrigen
Am Samstag starten die Störtebeker und seine Vitalienbrüder in Ralswiek auf Rügen in ihre 23. Festspiel-Saison.
Wer in diesen Tagen auf Deutschlands größter Insel Rügen unterwegs ist, begegnet überall großflächigen Plakaten auf eigens dafür aufgestellten Litfaßsäulen. Sie zeigen einen in mittelalterliches Wams gekleideten, entschlossen blickenden jungen Mann, der für die Störtebeker Festspiele 2015 wirbt. Vom 20. Juni bis 5. September findet die nunmehr 23. Ausgabe der beliebten Show auf der Ralswieker Naturbühne am Jasmunder Bodden statt.
Die diesjährigen Festspiele stehen unter dem Motto »Aller Welt Feind«. Der Schlachtruf der Piraten um ihren legendären Anführer Klaus Störtebeker »Gottes Freund und aller Welt Feind« ertönt immer wieder im Verlauf des Spektakels. Schon der Beginn hat es in sich: Dichte Nebel wallen auf, während ein Sprecher mit sonorer Stimme, auch für Kinder verständlich, die Geschichte Störtebekers und seiner Vitalienbrüder genannten Piratenkumpane erzählt.
Und plötzlich kommt der Held, verkörpert vom Schauspieler Bastian Semm, der auch auf den Plakaten posiert, stumm aus dem Nebel geritten und verschwindet in ihm auf der andern Seite der Bühne. Die Story spielt an zwei Handlungsorten, ei- ne Herausforderung für die Bühnenbildner um Falk von Wangelin: Auf Gotland und in Nowgorod. Ohne zu viel von der Geschichte zu verraten sei hier nur gesagt, dass auf der Ostseeinsel die von allen Anrainerstaaten gejagten Piraten zeitweise Unterschlupf finden. In Nowgorod versucht ein »bitterböser« Großfürst mit seinem aus Bernsteinminen stammenden Reichtum Deutschordensritter und Piraten gegeneinander auszuspielen.
Neben den großen Konflikten kommt es zu vielen persönlich motivierten Auseinandersetzungen, die den Schauspielern, wie Andreas Euler als Goedeke Michels, dem engsten Waffengefährten Störtebekers, Gelegenheit bietet, ihre Fecht- und Reitkünste unter Beweis zu stellen. Bei den Schlachtszenen zu Land und zu Wasser kommen die Pyrotechniker um Fred Bräutigam zum Zuge. Gleich im ersten Bild, das in der Bernsteinmine bei Nowgorod spielt, kracht es dermaßen, dass selbst die Pferde, die diesbezüglich schon viel gewohnt sind, nur mit Mühe ruhig gehalten werden konnten. Da flogen brennende Dummys (Gummipuppen) durch die Luft und zwei Stuntman liefen in Flammen stehend über die Naturbühne. 3,8 Kilo Schwarzpulver werden pro Vorstellung verbraucht. 8600 Elektrozünder sorgen für punktgenaue Spezialeffekte. Zum Abschluss jeder Veranstaltung gibt es ein Feuerwerk über dem »Großen Jasmunder Bodden«.
Zwischen den einzelnen Bildern tritt seit dem Jahr 2000 Wolfgang Lippert als Balladensänger auf. Die Texte, die den Handlungsablauf verbinden sollen, stammen von Festspielintendant Peter Hick, der mit Tochter Anna-Theresa auch das Skript für die ganze Schau schrieb. Die Musik stammt von Reiner Oleak, einem der gefragtesten deutschen Gegenwartskomponisten. Was wären aber Piraten ohne Schiffe. Die Ralswieker Flotte zählt vier Koggen, darunter eine Versenkbare. Bei Seeschlachten gibt es eben auch Verluste. An Land werden die Aktionen von 30 Pferden und drei Eseln unterstützt. Ein besonderes Highlight sind immer die Raubvögel der Falknerei von Volker Walter, wie zum Beispiel der auf Rügen legendä- re Steinadler »Stiwi« (35!), der als »Lavan« den Piraten hilft. Die Vogeleinlagen erhalten immer viel Applaus. An der Show »Aller Welt Feind« wirken über 100 Kleindarsteller mit. Sie sind Beifahrer, Pferdehalter, Eselführer, Landsknechte, Mägde, Wäscherinnen usw.
Wenn sich abends nach der Vorstellung Schauspieler, Spielleiter, der Regisseur Thomas Schendel und viele andere Mitwirkende im Gasthaus »Zum Störti« treffen, direkt neben der Naturbühne, geht es oft auch um eine erste Auswertung, um Lob und Kritik. Die Störtebeker Festspiele 2015 haben gerade begonnen, da denken Peter Hick und Ehefrau Ruth schon an das nächste Jahr und die nächsten Festspiele.