Kinderhospize hadern mit Finanznöten
Um ihre wichtige Arbeit leisten zu können, sind die Einrichtungen nach wie vor auf Spenden angewiesen
Am Freitag nahm ein neues bundesweites Sorgen- und Infotelefon für Familien sterbenskranker Kinder seinen Beratungsdienst auf
Bereits kurz nach der Geburt des Jungen stellen die Ärzte eine seltene Nerven-Muskelerkrankung fest. Ihre bittere Vorhersage: Vor seinem dritten Geburtstag wird er sterben. Von Stund’ an lebt auch seine Familie in einer Art Ausnahmezustand. Setzt doch jene Diagnose »Lebensverkürzend erkrankt«, wie es im Krankenkassendeutsch heißt, auch alle Angehörigen einer psychischen und emotionalen Dauerzerreißprobe aus.
Lange waren sie damit jedoch allein. Sterbehäuser, sogenannte Hospize, wie es sie in Deutschland für Erwachsene auch erst seit knapp 50 Jahren gibt, entstanden für unheilbar erkrankte Kinder erst spät. Die erste stationäre Einrichtung dieser Art, die sich neben den kleinen Patienten zugleich deren Eltern und Geschwistern in- tensiv annimmt, eröffnete hierzulande 1998 im westfälischen Olpe. Die Trägerschaft für jenes Kinderhospiz Balthasar übernahm die Gemeinnützige Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe.
Inzwischen gibt es bundesweit 145 ambulante Kinderhospizdienste, um die betroffenen Familien auch im häuslichen Bereich und bei der Pflege zu unterstützen, sowie 14 stationäre Häuser. In diesen können sich die Eltern für eine begrenzte Zeit ganz aus der Pflege herausnehmen, während die Kinder von erfahrenem Personal betreut werden. Ihre Standorte befinden sich unter anderem in Berlin, Hamburg, Leipzig, Düsseldorf, Magdeburg, Bielefeld und Münster.
Oft ist jedoch unbekannt, dass es solche Einrichtungen überhaupt gibt. Das Sterben an sich, und erst recht von Kindern, gilt nach wie vor als tabubehaftet. Das mag auch ein Grund sein, warum sich nur wenige Prominente dieses Themas bedienen, um ihre soziale Ader zu zeigen. Eine der wenigen Ausnahmen bildet der Schauspieler Andreas SchmidtSchaller (»Soko Leipzig«). Ein anderer der Stand-Up-Comedian Dieter Tappert (»Paul Panzer«), der erst Anfang Juni die 125 000 Euro aus seinem Auftritt bei »Wer wird Millionär?« dem Deutschen Kinderhospiz- verein . in Olpe gespendet hatte.
Sabine Kraft, die im badischen Lenzkirch den Bundesverband Kinderhospiz koordiniert, schätzt die Zahl der Kinder, die »so schwer krank sind, dass sie nicht erwachsen werden«, auf etwa 40 000. Jährlich würden 5000 von ihnen sterben. Um deren Familien eine kompetente Hilfe rund um die Uhr anzubieten, schaltete der Verband nun am 19. Juni ein bundesweites Sorgen- und Infotelefon frei. Sein Name: OSKAR. Hier erführen Ratsuchende Auskünfte zu Kinderpalliativmedizinern, Kinderhospizdiensten, Trauerbegleitern, aber auch zu Beratern, um ihre Ansprüche gegenüber Kostenträgern durchzusetzen, so die Expertin. Im Vorfeld habe man hierfür bereits 80 Berater geschult, um jene monatlich 730 Telefonstunden Tag und Nacht qualifiziert abdecken zu können.
Sabine Kraft verschweigt nicht die Kosten, die hierfür zunächst über Spenden, Sponsoren oder karikative Veranstaltungen aufzubringen waren: Die Schulung eines Telefonberaters kostete 2100 Euro, der monatliche Unterhalt des Sorgentelefons schlägt mit gut 9000 Euro zu Buche. Dabei nimmt sich all das noch bescheiden aus gegenüber jenen 600 bis 700 Euro, die jeder Tag Aufenthalt in einem Kinderhospiz kostet.
Und die Kasse übernehme hiervon im Schnitt nur ein Drittel – bezogen sowohl auf die stationäre Arbeit als auch den angegliederten ambulanten Dienst mit 33 Fachkräften und 50 Ehrenamtlichen, berichtet Ulrike Herkner. Sie ist die Geschäftsführerin des Fördervereins für Sachsens einziges stationäres Kinderhospiz »Bärenherz« in Leipzig. Immerhin sind dessen Betten fast immer voll belegt. Rund 180 erkrankte Kinder und deren Familien verbringen hier jährlich bis zu vier Wochen.
Mithin lebt eine Arbeit, die so maßgeblich von den Unwägbarkeiten eines Spendenaufkommens bestritten wird, nicht zuletzt von Überraschungen. Da ist es für Heike Lebelt vom Ambulanten Kinderhospizdienst Dresden schon beruhigend, dass Sachsen seit einigen Jahren die Hospizarbeit im Freistaat durch Sachkostenzuschüsse unterstützt. In den meisten Ländern müssten auch hierfür Spenden akquiriert werden, weiß man beim Kinderhospizverein in Olpe.
Inzwischen gibt es bundesweit 145 ambulante Kinderhospizdienste.
Seit 19. Juni anrufbereit: OSKAR, das Sorgentelefon Kinderhospiz – 0800 8888 4711