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Kinderhosp­ize hadern mit Finanznöte­n

Um ihre wichtige Arbeit leisten zu können, sind die Einrichtun­gen nach wie vor auf Spenden angewiesen

- Von Harald Lachmann

Am Freitag nahm ein neues bundesweit­es Sorgen- und Infotelefo­n für Familien sterbenskr­anker Kinder seinen Beratungsd­ienst auf

Bereits kurz nach der Geburt des Jungen stellen die Ärzte eine seltene Nerven-Muskelerkr­ankung fest. Ihre bittere Vorhersage: Vor seinem dritten Geburtstag wird er sterben. Von Stund’ an lebt auch seine Familie in einer Art Ausnahmezu­stand. Setzt doch jene Diagnose »Lebensverk­ürzend erkrankt«, wie es im Krankenkas­sendeutsch heißt, auch alle Angehörige­n einer psychische­n und emotionale­n Dauerzerre­ißprobe aus.

Lange waren sie damit jedoch allein. Sterbehäus­er, sogenannte Hospize, wie es sie in Deutschlan­d für Erwachsene auch erst seit knapp 50 Jahren gibt, entstanden für unheilbar erkrankte Kinder erst spät. Die erste stationäre Einrichtun­g dieser Art, die sich neben den kleinen Patienten zugleich deren Eltern und Geschwiste­rn in- tensiv annimmt, eröffnete hierzuland­e 1998 im westfälisc­hen Olpe. Die Trägerscha­ft für jenes Kinderhosp­iz Balthasar übernahm die Gemeinnütz­ige Gesellscha­ft der Franziskan­erinnen zu Olpe.

Inzwischen gibt es bundesweit 145 ambulante Kinderhosp­izdienste, um die betroffene­n Familien auch im häuslichen Bereich und bei der Pflege zu unterstütz­en, sowie 14 stationäre Häuser. In diesen können sich die Eltern für eine begrenzte Zeit ganz aus der Pflege herausnehm­en, während die Kinder von erfahrenem Personal betreut werden. Ihre Standorte befinden sich unter anderem in Berlin, Hamburg, Leipzig, Düsseldorf, Magdeburg, Bielefeld und Münster.

Oft ist jedoch unbekannt, dass es solche Einrichtun­gen überhaupt gibt. Das Sterben an sich, und erst recht von Kindern, gilt nach wie vor als tabubehaft­et. Das mag auch ein Grund sein, warum sich nur wenige Prominente dieses Themas bedienen, um ihre soziale Ader zu zeigen. Eine der wenigen Ausnahmen bildet der Schauspiel­er Andreas SchmidtSch­aller (»Soko Leipzig«). Ein anderer der Stand-Up-Comedian Dieter Tappert (»Paul Panzer«), der erst Anfang Juni die 125 000 Euro aus seinem Auftritt bei »Wer wird Millionär?« dem Deutschen Kinderhosp­iz- verein . in Olpe gespendet hatte.

Sabine Kraft, die im badischen Lenzkirch den Bundesverb­and Kinderhosp­iz koordinier­t, schätzt die Zahl der Kinder, die »so schwer krank sind, dass sie nicht erwachsen werden«, auf etwa 40 000. Jährlich würden 5000 von ihnen sterben. Um deren Familien eine kompetente Hilfe rund um die Uhr anzubieten, schaltete der Verband nun am 19. Juni ein bundesweit­es Sorgen- und Infotelefo­n frei. Sein Name: OSKAR. Hier erführen Ratsuchend­e Auskünfte zu Kinderpall­iativmediz­inern, Kinderhosp­izdiensten, Trauerbegl­eitern, aber auch zu Beratern, um ihre Ansprüche gegenüber Kostenträg­ern durchzuset­zen, so die Expertin. Im Vorfeld habe man hierfür bereits 80 Berater geschult, um jene monatlich 730 Telefonstu­nden Tag und Nacht qualifizie­rt abdecken zu können.

Sabine Kraft verschweig­t nicht die Kosten, die hierfür zunächst über Spenden, Sponsoren oder karikative Veranstalt­ungen aufzubring­en waren: Die Schulung eines Telefonber­aters kostete 2100 Euro, der monatliche Unterhalt des Sorgentele­fons schlägt mit gut 9000 Euro zu Buche. Dabei nimmt sich all das noch bescheiden aus gegenüber jenen 600 bis 700 Euro, die jeder Tag Aufenthalt in einem Kinderhosp­iz kostet.

Und die Kasse übernehme hiervon im Schnitt nur ein Drittel – bezogen sowohl auf die stationäre Arbeit als auch den angegliede­rten ambulanten Dienst mit 33 Fachkräfte­n und 50 Ehrenamtli­chen, berichtet Ulrike Herkner. Sie ist die Geschäftsf­ührerin des Fördervere­ins für Sachsens einziges stationäre­s Kinderhosp­iz »Bärenherz« in Leipzig. Immerhin sind dessen Betten fast immer voll belegt. Rund 180 erkrankte Kinder und deren Familien verbringen hier jährlich bis zu vier Wochen.

Mithin lebt eine Arbeit, die so maßgeblich von den Unwägbarke­iten eines Spendenauf­kommens bestritten wird, nicht zuletzt von Überraschu­ngen. Da ist es für Heike Lebelt vom Ambulanten Kinderhosp­izdienst Dresden schon beruhigend, dass Sachsen seit einigen Jahren die Hospizarbe­it im Freistaat durch Sachkosten­zuschüsse unterstütz­t. In den meisten Ländern müssten auch hierfür Spenden akquiriert werden, weiß man beim Kinderhosp­izverein in Olpe.

Inzwischen gibt es bundesweit 145 ambulante Kinderhosp­izdienste.

Seit 19. Juni anrufberei­t: OSKAR, das Sorgentele­fon Kinderhosp­iz – 0800 8888 4711

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