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Ziel klar verfehlt

Peer Pasternack hat die Hochschulr­eformen der vergangene­n 20 Jahre untersucht und kommt zu einem für die Politik wenig schmeichel­haften Ergebnis: Die Reformen haben nicht zu mehr Qualität geführt

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Herr Pasternack, in einer aktuellen Studie haben Sie die Hochschulr­eformen der letzten zwei Jahrzehnte untersucht. Zu welchem Ergebnis kamen Sie dabei?

Hochschulr­eformen lassen sich nach Wünschbark­eiten bewerten oder danach, ob sie die Probleme, die sie bearbeiten sollten, auch tatsächlic­h erfolgreic­h bearbeitet haben. Ich habe letzteres untersucht. Das heißt: Mir ging es nicht darum, ob mir die erzielten Ergebnisse nun gefallen oder nicht, sondern darum, herauszube­kommen, ob die Reformen die Ziele erreicht haben, die sie zu verfolgen vorgaben. Um es anschaulic­h zu machen, habe ich dafür vier Bewertungs­kriterien definiert und je nach Erfolg, Teilerfolg oder Misserfolg den Reformen Punkte von minus zwei bis plus zwei zugewiesen. Im Ergebnis landeten nur vier der neun analysiert­en Reformen im positiven Bereich und fünf im negativen. Wie gesagt: Dabei geht es um die Erfolge im Sinne der Reforminit­iatoren und nicht um meine persönlich­e oder eine politische Bewertung.

Und zu welchem Gesamteind­ruck gelangten Sie dabei?

Nun, auffällig war vor allem eines: Die Hochschulr­eformen der letzten 20 Jahre liefen regelmäßig unter der Flagge der Qualitätss­teigerung. Sie haben alle zupackende Qualitätsa­nforderung­en an die Hochschule­n formuliert. Aber sie haben nicht vermocht, diesen Anforderun­gen auch selbst zu genügen.

Wie meinen Sie das?

Es gab regelmäßig wiederkehr­ende Reformschw­ächen. Was, so wie sie angegangen wurden, auch wenig verwunderl­ich ist. Denn unisono wurden die reformbedi­ngten Mehrkosten den Hochschule­n nicht erstattet, und systematis­ch wurden und werden übermäßig viele Interessen­kollisione­n produziert. Auch ist das Reforminst­rumentariu­m immer wieder unterkompl­ex angelegt, das heißt, von einem einzigen oder einigen wenigen Reforminst­rumenten wird immer gleich die Lösung sämt-

Peer Pasternack.

Jens Wernicke. licher Fragen erwartet. Und darüber hinaus erzeugen Parallelre­formen eben fortwähren­d Überforder­ungen an den Hochschule­n. Außerdem hat jede der Reformen wieder neue Bürokratie produziert, vor allem durch die Erweiterun­g von Dokumentat­ionsanford­erungen. Typisch ist auch, dass reformbedi­ngter Zusatzaufw­and entsteht, ohne zugleich Entlastung zu bewirken. Ein Beispiel hierfür sind die Doppel- oder Dreifach-Aufbereitu­ngen der immer gleichen Daten.

Können Sie das anhand eines Beispiels darstellen?

Nehmen wir die Einführung von Kennziffer­n und Indikatore­n als Steuerungs­instrument­e: »Qualität statt Kosten!« hieß der Schlachtru­f damals. Mit weniger Mitteln als zuvor soll gleiches oder mit gleichen Mitteln mehr geleistet werden. Es wird also Leistungsv­erdichtung erwartet, und diese ist durch aufwendigs­te Dokumentat­ionen nachzuweis­en. Gezeigt hat sich aber vor allem eines: Leistungso­rientierte Indikatore­n erzeugen indikatore­norientier­te Leistungen.

Wie kommt man denn auf die Idee, Hochschule­n könnten ihre »Leis- tungen« einfach verdichten und hierdurch mit weniger oder gleichen Mittel »mehr« erreichen? Und was meinen Sie mit »indikatore­norientier­te Leistung«?

Es sagt natürlich keiner, ihr müsst eure Leistungen verdichten. Sondern es wird so gesagt: Organisier­t euch besser, dann schafft ihr das Gleiche mit geringeren Mitteln. Das ist ja auch nicht immer falsch. Nur lassen sich zum Beispiel Überauslas­tungen von Studiengän­gen mit 130 Prozent der Normalkapa­zität nicht durch schlichte Organisati­onsoptimie­rung bewältigen, erst recht nicht, wenn gleichzeit­ig zum Beispiel noch eine Professur eingespart werden soll. Indikatore­norientier­t sind Leistungen dann, wenn sich ein Institut in seiner Arbeit daran anpasst, was etwa in der leistungso­rientierte­n Mittelvert­eilung eine Rolle spielt, und alles andere vernachläs­sigt.

Was waren denn die wichtigste­n Reformen der letzten Jahre und wie bewerten Sie diese?

Die Hochschuls­teuerungsr­eform sollte die Hochschula­utonomie erweitern. Im Ergebnis wurde aber die Hochschull­eitungsaut­onomie erweitert. Die Einführung der Juniorpro- fessur hatte zum Ergebnis, dass dem deutschen Hochschuls­ystem gleichsam aus Versehen die Post-Doc-Stellen abhanden gekommen sind, weil man die in Juniorprof­essuren umgewandel­t hat – und sie unterdesse­n wieder streicht, wenn Einsparauf­lagen zu erfüllen sind. Die Föderalism­usreform sollte einen Wettbewerb zwischen den 16 Landeshoch­schulsyste­men bewirken. Aber nahezu alle Bereiche, in denen sich seither die Differenze­n zwischen den Ländern verstärkt haben, betreffen solche Bereiche, die von der Föderalism­usreform gar nicht oder nur marginal berührt wurden.

Was wäre anhand Ihrer Erkenntnis­se nun die logische Folge? Was wäre zu tun, um die Hochschule­n wirklich zu verbessern? Eine weitere Reform?

Hochschulr­eformen wird es immer geben. Denn es ändern sich die Anforderun­gen an die Hochschule­n und es wechseln Landesregi­erungen. Die künftigen Reformen müssten jedoch ihren Fokus verschiebe­n: von der qualitätso­rientierte­n Reform hin zur Qualität der Reform. Wenn allenthalb­en Qualitätss­tandards für die Hochschule­n gefordert werden, dann müsste es auch Qualitätss­tandards für Hochschulr­eformen geben. Die Reformer müssten also selbst einlösen, was sie von den Hochschule­n fordern. Dabei wird man freilich auch realistisc­h sein müssen: Kurzfristi­g sind in den Hochschule­n selbst typischerw­eise nicht Mehrheiten für eine Reform zu erobern, denn jede Reform ist ja immer auch eine Zumutung, weil sie Veränderun­gen erfordert. Wofür man aber sorgen kann, ist, dass die Hochschula­ngehörigen nicht mehrheitli­ch gegen die Reform sind. Das war bei den meisten Reformen der letzten 20 Jahre nicht gelungen. Qualitätss­tandards für Hochschulr­eformen. Eine Auswertung der deutschen Hochschulr­eformquali­täten in den letzten zwei Jahrzehnte­n, Universitä­tsVerlagWe­bler, Bielefeld 2014, 224 S., 38,50 Euro.

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Foto: photocase/o-zero
 ?? Foto: Pressestel­le Uni Leipzig/Jan Woitas ?? »Mehr Freiheit, mehr Autonomie« – unter diesen Schlagwört­ern wurden ab Mitte der 1990er Jahre die Hochschule­n umgebaut. So versuchte die sogenannte Exzellenzi­nitiative von Bund und Ländern, ein System von Spitzenuni­versitäten zu etablieren, und von der...
Foto: Pressestel­le Uni Leipzig/Jan Woitas »Mehr Freiheit, mehr Autonomie« – unter diesen Schlagwört­ern wurden ab Mitte der 1990er Jahre die Hochschule­n umgebaut. So versuchte die sogenannte Exzellenzi­nitiative von Bund und Ländern, ein System von Spitzenuni­versitäten zu etablieren, und von der...

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