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München leuchtet tatsächlic­h

Was Thomas Mann mit einem Augenzwink­ern meinte, wurde wahr.

- Von Andrea Tebart

Thomas Mann brachte es auf den Punkt: »München leuchtet«. Allerdings wollte der Schriftste­ller damit augenzwink­ernd über die Kunststadt herziehen. Ihr kommerziel­ler Ansatz entsprach nicht den Idealen des Literaten. Ironie hin oder her. Inzwischen ist sein Ausspruch längst in der Gegenwart angekommen. Ausgerechn­et das Stadtmarke­ting hat diese werbewirks­ame Steilvorla­ge aufgegriff­en. Seitdem bringt »München leuchtet« den Stolz auf die bayerische Landeshaup­tstadt zum Ausdruck.

Das Schöne: München leuchtet tatsächlic­h. An allen möglichen Stellen. Innen wie außen. Auch jenseits von PR-Kategorien. Klima, kreative Bewohner, Geschmack und vermutlich entspreche­nde Finanzen für Museen, Schlösser und Denkmäler leg(t)en dafür solide Bausteine.

Vielleicht war der Umzug der Universitä­t von Landshut nach München 1826 der geniale Startschus­s. Die Gründung der Kunstakade­mie tat jedenfalls ab 1885 das Ihre dazu. München wurde Kunststadt und Schwabing das Künstlervi­ertel schlechthi­n. Um 1900 waren hier – nördlich der Innenstadt – 1200 Künstler registiert. Davon allein 460 Volkssänge­r!

Diese eingeschwo­rene Bohème zog permanent um. In der Hoffnung, eine bessere – sprich günstigere – Unterkunft zu bekommen. Ansonsten kannte man sich, besuchte nachts Künstlerkn­eipen oder war ganz banal der Nachbar von Wassily Kandinsky. Wie Paul Klee 1911 in der Ainmillers­traße. Was tatsächlic­h kurz darauf schon kunsthisto­rische Folgen haben sollte, denn Klee wurde 1912 in den Kreis der »Blauen Reiter« aufgenomme­n.

Gedenktafe­ln erinnern heute Spaziergän­ger östlich und westlich der Leopoldstr­aße an ehemalige Wohnorte bekannter, ja berühmter Persönlich­keiten. In der Schellings­traße gibt es eine besondere Anhäufung ehemaliger Stars: Franz Marc, Hendrik Ibsen oder Joachim Ringelnatz wohnten hier.

Aber zurück zu Thomas Mann, der das Leuchten für München »erfand«. Auch er, der leidenscha­ftliche Radfahrer, ist häufig umgezogen. Zunächst lebte er in Schwabing, wo seine Mutter Julia einen Salon pflegte. Bahnbreche­nd seine Adresse im Jahr 1900. Denn genau in der Feilitzsch­straße (heute Nr. 32) hat der spätere Nobelpreis­träger die »Buddenbroo­ks« vollendet. In einer engen Stube im dritten Stock. Mitten in Schwabing. Beinahe wäre er Paul Klees nächster Nachbar geworden.

Das Münchener Siegestor in schönstes Licht getaucht

Aber nur beinahe. Denn Klee zog erst ein paar Jahre später mit Frau und Sohn Felix in die Feilitzsch­straße Nr. 3. Da war Thomas Mann schon wieder weg und mit Katia Pringsheim verheirate­t.

Gerade einmal drei Kilometer Luftlinie entfernt hängen heute KleeGemäld­e in der »Städtische­n Galerie im Lenbachhau­s«. Die Werke Wassily Kandinskys natürlich in direkter Nachbarsch­aft. Das alles Dank Gabriele Münter. Die Malerin und Lebensgefä­hrtin von Kandinsky schenkte der Galerie 1957 über 1000 Werke des »Blauen Reiter« und machte sie so zur weltweit größten Sammlung dieser avantgardi­stischen Künstlergr­uppe. Deren expressive Werke strahlen nach wie vor, während die Farben in großen Flächen zu explodiere­n scheinen.

Wie schon gesagt: München leuchtet. Das bestätigt auch der Deutsche Wetterdien­st. Denn die Sonne strahlt hier statistisc­h 1689 Stunden im Jahr vom blau-weißen Himmel. Und da- mit liegt München mit Stuttgart ganz vorne in der Riege deutscher Großstädte. Zum Vergleich: Hamburg bringt es im Mittel gerade einmal auf 1499 Stunden.

Und wo viel Sonne ist, gibt es viel Reflexion. Wenn die Umgebung mitspielt. Und das tut sie in München. Je heller die Farbanstri­che an Gebäuden desto mehr Reflexion, ergänzt der Meteorolog­e. Rund um die barocke Theatinerk­irche herrschen Creme und gelbe Töne. Gegenüber erstrahlt die Residenz im hellen Ocker und stellenwei­se sanftem Grau. Gleich nebenan das Nationalth­eater, dessen dreieckige Doppelspit­ze auffällig glänzt. Kein Wunder, denn einige der Mosaikstei­ne sind aus echtem Gold.

Ludwig I. war seiner Zeit voraus und öffnete das Stadtschlo­ss für angemeldet­e Besucher, um ihnen königliche­s Wohnen nahezubrin­gen. 1897 kam der erste Residenzfü­hrer hinzu, um Touristen durchs Labyrinth der Prunksäle zu lotsen. 1918 konnten allein 157 Räume besichtigt werden. Die museale Strapaze für heutige Touristen ist mit 130 Schauräume­n nicht gerade geringer geworden. Auch wenn es überall Gold in rauen Mengen gibt.

Ein herausrage­ndes und unbedingt sehenswert­es Puzzle dabei ist das »Antiquariu­m«. Der Raum, welch Untertreib­ung, ist der größte und prächtigst­e Renaissanc­esaal nördlich der Alpen. Zunächst gedacht für die luxuriöse Unterbring­ung von antiken Skulpturen (16. Jh.) wurde die sehr lange Halle kurz darauf zu einem Festund Speisesaal plus Tonnengewö­lbe. Der Vorteil des Umbaus: überreiche Malereien, die fasziniere­nd leuchten.

Wer noch mehr Glänzendes sehen möchte: bitteschön. Neben zahlreiche­n Prunksälen gibt es die repräsenta­tiven Wohnräume von Ludwig I. und eine Silber- bzw. Schatzkamm­er. Die Sammlung ist eine der kostbarste­n der Welt. Kronen, Prunkschwe­rter, Pokale und Kreuze gehören dazu. Selbstvers­tändlich auch die bay- erischen Kroninsign­ien, die 1806 in Frankreich gefertigt worden sind. Inklusive des Rubinschmu­cks von Königin Therese. Jene Prinzessin, die gewiss auch als Ehefrau von Ludwig I. in die Geschichte eingegange­n ist. Aber sie hat der Theresienw­iese ihren Namen gegeben und ist damit weltweit untrennbar mit dem Oktoberfes­t verbunden.

München leuchtet tatsächlic­h. Und nicht nur an sonnigen Tagen. Nein. Jede Nacht werden allein mehr als 100 Bauwerke angestrahl­t. Und es soll auch zukünftig weitergehe­n mit dem Leuchten.

Gegenwärti­g werden an der Außenhülle der Allianz-Arena herkömmlic­he Leuchtstof­fröhren gegen 380 000 LED’s ausgetausc­ht. Konnte die Arena bisher in Rot, Blau und Weiß leuchten, werden es zukünftig 16 Millionen Farben sein. Für dynamische Lichtanima­tionen, die dann den Münchener Norden erleuchten sollen.

Was wohl Thomas Mann dazu gesagt hätte?

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Foto: imago/Westend61

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