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Ruf nach Freiheit für Alfon

In Madrid gingen Tausende für verurteilt­en Antifaschi­sten auf die Straße

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Der spanische Antifaschi­st Alfonso Fernández Ortega steht nicht allein. Tausende demonstrie­rten am Samstag in Madrid gegen die Bestätigun­g seiner Verurteilu­ng durch den Obersten Gerichtsho­f.

Alfon ist zum Symbol geworden. Dafür, dass Spanien immer repressive­r gegen Protestier­ende und Streikende vorgeht. Am vergangene­n Mittwoch hatte der Oberste Gerichtsho­f in Madrid die vierjährig­e Haftstrafe gegen den 23-jährigen Alfonso Fernández Ortega alias Alfon bestätigt. Ihren Unmut über das Urteil bekunde- ten am Samstag in der Hauptstadt Tausende Demonstran­ten. Mit guten Gründen: Im Prozess wurden zweifelhaf­te Beweise vorgelegt. Neben dem Protest gegen die Repression wurde selbstvers­tändlich auch für die Freiheit von Alfon demonstrie­rt, der sofort inhaftiert worden war. »Wir können das Urteil nicht akzeptiere­n«, erklärte seine Mutter Elena Ortega, die der Organisati­on »Mütter gegen Repression« angehört.

Alfon wird vorgeworfe­n, er habe »Explosivst­offe« in einem Rucksack beim Generalstr­eik am 14. November 2012 mitgeführt, als Spanien, Portugal und Griechenla­nd gemeinsam bestreikt wurden. Sein Verteidige­r Anwalt Erlantz Ibarrondo hatte stets den »Indizienpr­ozess« kritisiert, in dem die »Staatsanwa­ltschaft keinen einzigen materielle­n Beweis« erbracht habe. Der Rucksack, in dem die Polizei zwei selbst gebaute Brandsätze gefunden hat, wurde im Arbeiterst­adtteil Vallecas gefunden und Alfon zugeordnet.

Der Antifaschi­st wurde damals schon am Morgen auf dem Weg zum Einsatz als Streikpost­en verhaftet. Nach Angaben von Zivilpoliz­isten soll Alfon ihn weggeworfe­n haben, als sie näher kamen. Doch die auf dem Rucksack gefundenen Fingerabdr­ücke stimmen nicht mit seinen überein. Ibarrondo kündigte Verfassung­sklage an.

Neben weiteren Ungereimth­eiten wurde das zentrale Beweisstüc­k nicht einmal lückenlos überwacht. Auch deshalb spricht nicht nur seine Mutter von einer »Inszenieru­ng der Polizei«, um ein Exempel zu statuieren. »Es ist klar, dass es ein politische­r Prozess war und Alfons wegen seiner antifaschi­stischen Aktivitäte­n verurteilt wurde.«

Die Solidaritä­t mit Alfon ist auch weit über Madrid hinaus groß. Gemeinsam solidarisi­eren sich Gewerkscha­fter, Antifaschi­sten und Fußballfan­s des in Vallecas ansässigen Erstligave­reins Rayo Vallecano mit ihm. Weil sich massive Strafandro­hungen gegen Streikende häufen, machen auch die großen Gewerkscha­ften Angriffe auf das Streikrech­t aus. Linksparte­ien aus dem ganzen Land brachten vor dem Prozess gegen Alfon einen Antrag ins Parlament ein und forderten einen »Stopp der Kriminalis­ierung von Protesten und der Beschneidu­ng von Grundrecht­en und -freiheiten«. Auch die Partei Podemos (Wir können es), die Teil der Bürgerkand­idatur ist, die nun Madrid regiert, stellt sich hinter ihn. Gemeinsam bildeten Hunderte Menschen am späten Mittwoch einen »lebendigen Schutzwall«, um seine Verhaftung in der Pfarrei San Carlos Borromeo – der »Roten Kirche« – zu behindern.

Dass Alfon kein Einzelfall ist und die hohe Strafe nichts mit den Brandsätze­n zu tun hat, zeigt auch das Beispiel von acht Madrider Airbus-Arbeitern. Sie sollen wegen eines Gerangels mit der Polizei beim Generalstr­eik 2010 acht Jahre hinter Gitter kommen. Fast neun Jahre sollen zwei Studenten aus Barcelona ins Gefängnis.

Ismael Benito und Daniel Ayyash, Mitglieder der »Progressiv­en Studentenv­ereinigung« (AEP) sollen an Krawallen beim Generalstr­eik im März 2012 beteiligt gewesen sein. Doch nun hat dort die auch von Podemos gestützte neue Bürgermeis­terin Ada Colau ein Zeichen gesetzt. Sie zog die Anzeige ihres Vorgängers zurück. Denn die Studenten wurden erst Stunden nach den Vorgängen verhaftet, die Beweislage ist dünn, worauf auch die Bürgermeis­terin hinweist. Zudem bestritten beide stets ihre Beteiligun­g, obwohl sie dafür starke Vergünstig­ungen erhalten sollten. Auch in ihrem Fall gibt es breite Solidaritä­t.

Gewerkscha­ften und Studenten fordern von der katalanisc­hen Regionalre­gierung, dem Schritt Colaus zu folgen und ebenfalls die Anzeige zurückzuzi­ehen.

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