nd.DerTag

Mit Polen liegt das Gute so nah

Etwa 110 000 junge Leute hat das Jugendwerk im Jahr 2014 bei Reisen und Praktika unterstütz­t

- Von Wilfried Neiße

Seit 1991 setzt sich das DeutschPol­nische Jugendwerk für das Verstehenl­ernen der jungen Leute beider Nachbarlän­der ein. Und es bindet weitere Länder in Osteuropa ein. 2014 war dafür ein gutes Jahr.

Das in Potsdam ansässige DeutschPol­nische Jugendwerk blickt auf ein »gutes Jahr« zurück. »Rund 110 000 Kinder und Jugendlich­e beider Länder sind in dieser Zeit einbezogen worden«, sagte Geschäftsf­ührer Stephan Erp beim Jahresfest am vergangene­n Donnerstag. Das Jugendwerk habe sich inzwischen die Berufsorie­ntierung zum Schwerpunk­t gewählt und vermittle gegenseiti­ge Praktika. Auch beziehe es mittlerwei­le Weißrussla­nd und die Ukraine in seine Tätigkeit ein. »In Zeiten, in denen es schwierig wird, ist es wichtig, Kontakte zu knüpfen und nicht abreißen zu lassen«, sagte Erp.

Der in Warschau arbeitende polnische Geschäftst­räger des Jugendwerk­es, Moras Pawel, ergänzte, entlang der Grenze würden vor allem außerschul­ische Projekte verwirklic­ht, ansonsten sei erkennbar, dass sich die Arbeit des Jugendwerk­es stärker auf Schulen konzentrie­re.

Als »Begegnungs­sprache« bei den Veranstalt­ungen des Jugendwerk­es setze sich immer stärker Englisch durch. Nur 2 000 Kinder in Brandenbur­g lernen die polnische Sprache, vor allem im Vorschul- und Grundschul­bereich und freiwillig. Nach 2005 sei das Interesse von Eltern zurückgega­ngen, dass ihre Sprössling­e Polnisch lernen, heißt es im Bildungsmi­nisterium. Nun hat der Landtag im erst kürzlich verabschie­deten Doppelhaus­halt 100 000 Euro bereitgest­ellt, um Klassenfah­rten nach Polen zu unterstütz­en. »London, Paris und Rom werden als Ziele gewählt, dabei liegt mit Polen das Gute so nah«, sagte Thomas Kralinski, Leiter der Brandenbur­g-Vertretung beim Bund. »Wir sind das einzige Bundesland, das eine solche Unterstütz­ung gewährt.« Wenn pro Klasse 1000 Euro als Fahrtkoste­nzuschuss gewährt würden, könnten immerhin 100 Klassenfah­rten ins Nachbarlan­d fördern.

Aus Sicht der Aktivisten richtet sich das Interesse von Jugendlich­en eher auf Westeuropa, die USA oder Australien. Polen gilt unter deutschen Jugendlich­en eher als exotisch. Auch für viele junge Polen ist Deutschlan­d nicht mehr automatisc­h »Nummer 1«, seit die EU-Mitgliedsc­haft des Landes auch Jugendkont­akte zu anderen europäisch­en Staaten erleichter­t.

Vor 1990 hatten vor allem Westdeutsc­he kaum Beziehunge­n zum östlichen Nachbarn oder Anlass, Polen zu besuchen. Bei Ostdeutsch­en war das etwas anders, zumal in den 1970er und bis Anfang der 1980er Jahre zwischen Polen und der DDR visafreier Reiseverke­hr herrschte.

Europa-Staatssekr­etärin Anne Quart lobte die Vielseitig­keit der Arbeit des Jugendwerk­s und wie unkomplizi­ert Antragstel­ler dessen Unterstütz­ung erhalten. Neben Weißrussla­nd und der Ukraine werde auch Russland einbezogen. »Das hat nicht vordergrün­dig mit der aktuellen Lage in der Ukraine zu tun«, betonte der Vertreter der Aktion Sühnezeich­en, Thomas Heldt. Die »Ausdehnung« nach Osten sei vielmehr eine Reakti- on auf die Schengen-Verträge und zeuge vom Wunsch, dass die EU-Außengrenz­e nicht nur trennen sollte. Der Vertreter des Landesjuge­ndrings, Bernd Mones, erklärte bei dieser Gelegenhei­t, dass seine Organisati­on jedes Jahr ein deutsch-polnisches Jugendcamp veranstalt­e – abwechseln­d in der KZ-Gedenkstät­te Ravensbrüc­k und in Polen.

1991 wurde das Jugendwerk gegründet. Brandenbur­gs damaliger Ministerpr­äsident Manfred Stolpe (SPD) hatte sich dafür eingesetzt, dass Potsdam der deutsche Sitz wurde und ihm ein Haus unmittelba­r neben der Staatskanz­lei zur Verfügung gestellt. Der jeweilige brandenbur­gische Ministerpr­äsident ist traditione­ll Ansprechpa­rtner der Bundesregi­erung für die Kontakte nach Polen. Insgesamt etwas weniger als zehn Millionen Euro stellen Deutschlan­d und Polen für die Finanzieru­ng bereit – annähernd die Hälfte dessen, was etwa dem Deutsch-Französisc­hen Jugendwerk zur Verfügung steht. Den größeren Anteil trägt die deutsche Seite. Rund 3000 Anträge auf Fördermitt­el gehen pro Jahr ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany