Einflüsterer
Richtig weh tut es gestandenen Sozialdemokraten, wenn man ihnen den realen Niedergang ihrer einst stolzen Partei vorrechnet. 45,8 Prozent der Stimmen errang die SPD im »Willy wählen«-Wahlkampf 1972 – bei einer Wahlbeteiligung von 91 Prozent. Knapp 42 Prozent der Wahlberechtigten stimmten damals also sozialdemokratisch, während es bei der Bundestagswahl 2013 noch 18,4 Prozent waren. Dass sich etwas Grundsätzliches ändern muss, ist klar für Sigmar Gabriel, wenn er die nächsten Jahre als SPD-Chef überleben und zu diesem Behufe sein Image aufpeppen will.
Schlecht beraten ist indes, wer sich in solch einer Situation einen schlechten PR-Berater sucht, denn das läuft auf schlechte PR und Presse hinaus. Doch Gabriel engagierte mit Thomas Hüser ausgerechnet jemanden, der nicht nur der Quasi-Konkurrenzpartei CDU angehört, sondern auch der SPD eine Niederlage bei der nächsten Bundestagswahl an den Hals wünschte. »Peinliche PR-Panne«, stabreimte die »BILD«-Zeitung und log gewiss nicht.
Wie hatte Hüser doch noch vor acht Monaten auf »Facebook« posaunt? »Gabriel wird beim nächsten Mal wieder 20 plus X einfahren.« Und das sei auch gut so. Gabriel blies ins Jagdhorn, weil gerade in Thüringen die rot-rotgrüne Koalition etabliert worden war. Die »SED-Wölfe« der Links- partei, für Hüser »rot lackierte Faschisten«, trügen nun »Gabriels frisch gewaschene Schafspelze«, trompetete der Mittvierziger.
2005 trat Bergmannssohn Hüser der CDU bei; in jenem Jahr, als Jürgen Rüttgers die 1966 verloren gegangene Macht für »die Schwatten« an Rhein und Ruhr zurückeroberte, wenn auch nur für fünf Jahre und damit kürzer, als aus Sicht optimistischer Opportunisten wünschenswert. Nun rät Hüser der SPD, ihre »Selbstverzwergung« zu stoppen, durch Steuersenkungspläne. Vorbild ist offenbar die Volkspartei FDP. Dass Gabriel ihn nun zum informellen Ratgeber machte, wertet Hüser als Zeichen von des SPD-Chefs Liberalität. Die Wahrscheinlichkeit einer CDU-freien Bundesregierung steigt mit Hüser nicht. Gabriel dürfte es einkalkuliert haben.