Spitzenplatz für fleißige Beamte
Bahnhofswache der Bundespolizei in Hannover soll Rangliste der besten Festnehmer geführt haben
Bei der Bundespolizei am Hannoveraner Bahnhof soll es neben Quälereien an Flüchtlingen eine Top-10-Liste jener Beamten gegeben haben, welche die meisten Festnahmen vorwiesen.
Wer wird Champion in der Disziplin Festnahme? Wer kann am häufigsten melden, dass er jemanden in eine Gewahrsamszelle gesperrt hat? Ausgeschrieben ist solch ein Wettbewerb bei der Bundespolizei nicht. Zumindest nicht offiziell. Intern jedoch habe es derartige Vergleiche gegeben, besagen Recherchen des NDR – und zwar in Hannover, auf der Bahnhofswache. Es ist jene Dienststelle, die im Mai unrühmliche Bekanntheit erlangte durch den Vorwurf, dort seien Flüchtlinge gequält worden.
Gegen einen Beamten, der im Verdacht steht, Ausländer auf dieser Wache misshandelt zu haben, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Wie es heißt, habe sich der Mann seiner Taten in SMS-Mitteilungen detailfreudig gebrüstet. Etwa so: »Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig.« Begünstigen Leistungsvergleiche unter den Beamten solche Ruppigkeiten?
Es gibt solche Vergleiche nicht, betont die Bundespolizei. Doch zumindest gab es sie, besagt ein Bericht des NDR. Der präsentierte jetzt ein Papier mit der Überschrift »Top 10 September der Verhaftungen, Aufenthaltsermittlungen, sonstigen Fahndungen und Gewahrsamnahmen«. Darunter die Liste, die 2012 an einer Tür der Wache gehangen haben soll und aufführt, wie viele der genannten polizeilichen Tätigkeiten die Beamten mit den »Platznummern« 1 bis 10 geleistet haben. Irgendjemand hat neben die »Hitparade« gekritzelt: »Wir sind stolz auf euch!«
Darüber hinaus zeigten die Fernsehleute eine – ebenfalls 2012 gefertigte – Statistik, aus der hervorgeht, welche Bahnhofsdienstgruppe die meisten Ordnungswidrigkeiten verfolgt hat. Den Spitzenplatz belegte die Gruppe drei. In ihr war der zurzeit freigestellte Beamte aktiv, dem die Misshandlungen an Aus- ländern zur Last gelegt werden. Mittlerweile ermittelt die Anklagebehörde gegen den Mann nicht nur wegen Körperverletzung, sondern auch wegen Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie. Solches Material sei bei einer Durchsuchung gefunden worden.
Der Kriminologe Christian Pfeiffer, ehemals Justizminister in Niedersachsen, sieht die Gefahr, dass polizeiliche Leistungsvergleiche zu Übergriffen führen können. Dem NDR sagte er: Wenn alle darauf getrimmt werden, Punkte zu sammeln und Tagebucheinträge zu schinden, könne »ein sehr rigides Klima entstehen, das im Umgang mit dem Klientel zu Problemen führt«.
»Die angeprangerten Listen, nach Dienstgruppen aufgeschlüsselt, gibt es nicht nur in Hannover.« Das weiß Gerhard Medgenberg, bei der Gewerkschaft der Polizei Vorsitzender der Bundespolizei-Kreisgruppe Wiel in Nordrhein-Westfalen. »Anderswo ist man nur nicht ganz so blöd, diese offen im Pausenraum herumliegen zu lassen«, schreibt der Gewerkschafter im Kommentarbereich des NDR. Medgenbergs Gruppe hatte vor zwei Jahren gegen »Managementmethoden« bei der Bundespolizei Stellung bezogen und gewarnt: Durch ständige Vergleiche der Bediensteten untereinander und damit geschürte Konkurrenzkämpfe habe das Betriebsklima bereits gravierend gelitten.
Wohin polizeiliches Leistungsstreben führen kann, zeigt ein Vorfall aus Berlin. Dort wurde Ende 2014 zwei Bundespolizisten vorgeworfen, betrunkenen Obdachlosen willkürlich Straftaten und Ordnungswidrigkeiten angehängt zu haben. Durch eine möglichst hohe Anzeigenzahl, so hieß es, wollten die Beamten ihre Beförderung beschleunigen.
»Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig.« Misshandelnder Polizist aus Hannover