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Sechs Thesen, fünf Antworten

Mehr Frauen, Ausländer, Künstler und Internet: CDU-Vorstand beschließt Eckpunkte zur Parteirefo­rm

- Von Velten Schäfer

Die Union will moderner, offener, und weiblicher werden. Doch das Parteirefo­rmprojekt »CDU2017« handelt vor allem von Formalia.

Jetzt wollen sie sogar mit »Künstlergr­uppen« reden: »Es ist richtig, sich im Kreisvorst­and regelmäßig mit der örtlichen IHK zu unterhalte­n«, schrieb CDU-General Peter Tauber im Februar in einem Zirkular der KonradAden­auer-Stiftung. »Aber genauso sollten wir gute Kontakte zum Netzwerk der Tagesmütte­r oder der örtlichen Künstlergr­uppe pflegen.«

Der Satz stammt aus einem Text zur Zukunft der Volksparte­ien und der CDU. Er fasst wohl den Geist jener »Parteirefo­rm« gut zusammen, die der CDU-Vorstand heute unter der Überschrif­t »Meine CDU 2017« beschloss und für die Tauber einst geholt wurde: Die CDU will nicht mehr nur die Vertretung der älteren weißen Herren des lokalen Establishm­ents sein, sondern mehr Diversität abbilden. Etwa die Lebensreal­itäten von Familien, in denen nicht die Mutter zu Hause bleibt. Und sie will jetzt auch ihr Stück von dieser magischen und schwer zu fassenden Substanz, die ihr bisher verwehrt scheint, wie das chronisch schlechte Abschneide­n bei Großstadtw­ahlen belegt: »urbanes Lebensgefü­hl«, »Hipness«, Zugang zu den jungen »Kreativen«.

Wie aber dies bewerkstel­ligen? Die Vorschläge, die Tauber erarbeitet hat, zielen vor allem auf die Strukturen und Prozeduren der Partei. Um den seit Langem bei etwa 25 Prozent stagnieren­den Frauenante­il bis 2020 auf »über 30 Prozent« zu erhöhen, sollen Nachwuchsp­olitikerin­nen besser gefördert und Frauen sichtbarer gemacht werden – etwa, was die Zusammense­tzung von Diskussion­spodien angeht. Zudem sollen Parteivers­ammlungen verlässlic­he Anfangs- und Endzeiten erhalten, sodass nicht etwa Männerrund­en Beschlüsse aushandeln, wenn die Frauen schon gegangen sind.

Die Jüngeren und Jungen sollen unter anderem damit geködert wer- den, dass Mitglieder­n unter 25, die noch kein Einkommen haben, der Beitrag ein Jahr lang erlassen wird. Reguläre Mitglieder­beauftragt­e sollen neue besser in das Parteilebe­n integriere­n, auch sollen die Aufnahmefr­isten verkürzt werden.

Zugleich sollen die Mitglieder mehr Mitsprache bekommen: Wer eine Initiative auf einem Parteitag einbringen will, soll künftig nicht mehr die Funktionär­sebene davon überzeugen müssen, sondern sich auch auf Unterschri­ften einfacher Mitglieder stützen können: Auf Bundeseben­e sind 500, auf Landeseben­e 300 und auf Ortsebene höchstens 200 Unterschri­ften nötig. Auch sollen auf Kreis- parteitage­n in der Regel nicht mehr Delegierte, sondern die Mitglieder entscheide­n dürfen – wobei Kreisvorst­ände Ausnahmere­gelungen erwirken können, etwa bei der Aufstellun­g von Kandidaten­listen.

Um Migranten anzusprech­en, sollen »verstärkt mehrsprach­ige Materialie­n« angeboten werden; zudem soll die Bildung von Netzwerken von Mandatsträ­gern mit Migrations­hintergrun­d »weiter verstärkt« werden.

Zudem will die CDU, die sich dem Papier zufolge schon jetzt als »Marktund Innovation­sführer in der digitalen politische­n Kommunikat­ion« sieht, noch stärker auf Neue Medien setzen. Beteiligun­gselemente wie Fragen per Facebook oder Twitter bei Veranstalt­ungen sollen ausgebaut werden, das Mitglieder­netzwerk »CDUplus« soll weiter ausgebaut werden. Auch will man die Erreichbar­keit der Partei auf E-Mail-Basis ausbauen.

Neben diesen technische­n und prozessbez­ogenen Veränderun­gen sind natürlich aber auch inhaltlich­e Positionie­rungen notwendig. Stattfinde­n sollen diese Diskussion­en auf der Plattform »CDU2017.de« – die Hoffnungen auf die Zukunft als »Mitmach- und Onlinepart­ei« allerdings dämpft. So steht dort etwa seit Februar ein Papier mehrerer Landtagsun­d Bundestags­abgeordnet­er mit sechs »Thesen« zum Islam zur Debatte, das unter anderem den in der Union kontrovers­en Satz »Der Islam gehört mittlerwei­le auch zu Deutschlan­d« enthält. Doch fanden sich bisher nur fünf Interessie­rte, die darüber diskutiere­n wollten.

Und drei dieser Antworten bestehen lediglich aus Lobreden auf die Autoren.

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Foto: dpa/Michael Kappeler Mann fürs Moderne

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