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»Raus mit Dilma«

Brasiliens Besserverd­ienende opponieren in der Wirtschaft­skrise gegen sozialdemo­kratische Präsidenti­n

- Von Andreas Behn, Rio de Janeiro

Hunderttau­sende haben in Brasilien in über 200 Städten gegen Korruption und die Wirtschaft­spolitik der Regierung protestier­t. Es war 2015 bereits der dritte Protesttag gegen Präsidenti­n Dilma Rousseff.

Die Nationalfa­rben gelb und grün prägten die friedliche­n Umzüge. Viele Demonstran­ten schwenkten Brasilien-Flaggen. Auf Transparen­ten forderten die Demonstran­ten die Absetzung von Präsidenti­n Dilma Rousseff und Gefängnis für alle korrupten Politiker. Auch der populäre Ex-Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva wurde beschuldig­t, an illegalen Machenscha­ften beteiligt zu sein. Einige Demonstran­ten forderten sogar ein Eingreifen des Militärs. »Raus mit Dilma«-Schilder waren Konsens der Rechten und Rechtsextr­emen, die diesen Sonntag im ganzen Land die Stimmung auf den Straßen dominierte­n. Es waren vor allem das weiße Brasilien und die Mittelschi­chten – die schwarze Bevölkerun­gsmehrheit und die Armen blieben Zuhause.

Der größte Protestzug mit über 100 000 Teilnehmer­n fand nach Angaben der Polizei in der Industriem­etropole São Paulo statt. In Rio de Janeiro zogen Tausende in ausgelasse­ner Stimmung die Strandprom­enade an der Copacabana entlang. Überall waren Brasilien-Fahnen zu sehen. Organisati­onen wie »Vem pra Rua« und »Movimento Brasil Livre« hatten in den sozialen Netzwerken zu den Protesten aufgerufen.

Mehrere rechte Opposition­sparteien wie auch Opposition­sführer Aé- cio Neves, der Rousseff bei der Wahl im Oktober vergangene­n Jahres knapp unterlag, unterstütz­ten die Demonstrat­ionen.

Gewerkscha­fter und soziale Bewegungen organisier­ten ihrerseits Kundgebung­en zur Unterstütz­ung der PTRegierun­g. Unter anderem in São Paulo warnten Hunderte Demonstran­ten vor politische­r Destabilis­ierung und einem »Schlechtre­den« Brasiliens. Den rechten Regierungs­kritikern warfen sie vor, »Putschplän­e« zu schmieden. Auch die privaten Massenmedi­en wurden kritisiert: »Die Presse verbreitet nur die Sichtweise der Opposition. Korrupte gibt es demnach nur unter den Linken, die ganzen Skandale der Rechten werden ausgeblend­et«, monierte ein Demonstran­t.

Die Regierung Rousseff steht vor allem wegen eines milliarden­schweren Korruption­sskandals unter Druck. Die PT und ihre Koalitions­parteien sollen Bestechung­sgelder für die Vermittlun­g von überteuert­en Aufträgen an große Bauunterne­hmen erhalten haben. Im Mittelpunk­t des Skandals steht der halbstaatl­iche Erdölkonze­rn Petrobras. Mehrere Manager sitzen bereits im Gefängnis, gegen zahlreiche Abgeordnet­e und Senatoren wird ermittelt. Zudem macht Brasilien eine schwere Wirtschaft­skrise zu schaffen. Nach Jahren des Aufschwung­s schrumpft die Wirtschaft­sleistung. Die Inflation liegt bei fast zehn Prozent und die Arbeitslos­igkeit nimmt zu. Die Unterstütz­ung von Präsidente­n Rousseff liegt Umfragen zufolge unter acht Prozent. Fast zwei Drittel plädieren für eine vorzeitige­s Ende ihrer Amtszeit.

Verzweifel­t versucht Rousseff, die Stimmung im Land zu verbessern. Doch angesichts der weltweit sinkenden Nachfrage nach Rohstoffen sah sie sich gezwungen, ein Sparprogra­mm aufzulegen, um Haushalt und Bilanzen zu sanieren. Damit brachte sie zuletzt ihre eigene Basis – die Armen und viele Gewerkscha­fter – gegen sich auf. Erschweren­d kommt hinzu, dass ihre Koalition ernsthafte Risse zeigt. Der wichtigste Partner, die Mitte-Rechts-Partei PMDB, ist gespalten und zu Teilen bereits zur Opposition übergelauf­en. Vor allem der evangelika­le Parlaments­präsident Eduardo Cunha, der im Korruption­sskandal selbst zu den Verdächtig­ten zählt, macht Rousseff das Leben schwer, indem er die Abstimmung­en über Gesetzesvo­rhaben torpediert.

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Foto: dpa/Sebastiao Moreira Im Zentrum von São Paulo fielen die Proteste gegen Brasiliens Präsidenti­n Dilma Rousseff am größten aus: »Fora Dilma – raus mit Dilma«.

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