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Dudas Heerschau

Polens Rechte auf dem Marsch zurück zur ganzen Macht

- Von Julian Bartosz, Wroclaw

Ein politische­s Sommerloch? Gibt es in Polen nicht. Dabei ist Geschichte mehr denn je Faktor in der politische­n Auseinande­rsetzung.

Die erste Auslandsre­ise des neuen polnischen Präsidente­n Andrzej Duda führt am 23. August nach Estland, wie am Montag verkündet wurde. Ein Datum mit gewolltem geschichtl­ichen Bezug. An diesem Tag wurde 1939 der deutsch-sowjetisch­e Nichtangri­ffspakt unterzeich­net. Seit dem 1. August brennen an vielen Stellen der Hauptstadt und anderorts »Freiheitsf­euer« – um bis zum 2. Oktober, als nach 63 Tagen 1944 der Warschauer Aufstand von den Deutschen niedergesc­hlagen worden war, an die patriotisc­hen Helden zu erinnern. Hunderttau­sende sangen auf dem Piłsudski-Platz »Lass uns, O Herr, wieder zu einem freien Polen kommen.« Unter ihnen Duda.

Dessen Amtseinfüh­rung am Wochenende glich der Inthronisi­erung eines Königs: Militärisc­hes Zeremoniel­l auf dem Piłsudski-Platz, Übernahme des Oberbefehl­s über die Armee, anschließe­nd Einführung in den Präsidente­npalast und schließlic­h das Hochamt in der Archikathe­drale in der Altstadt. So viele Geistliche unter der Mitra hat man lange nicht mehr gesehen, und der Vorsitzend­e des Episkopats, Erzbischof Gadecki, erklärte auch gleich, wie Politiker der Heiligen Kirche zu dienen hätten.

Jarosław Kaczyński, Vorsitzend­er der nationalko­nservative­n Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS), verkündete vor dem Palast in der Krakowskie Przedmieśc­iem, dass dort schon bald das Smolensk-Denkmal für die Opfer des Flugzeugab­sturzes eingeweiht werde. Er rief seine Anhänger zur Mobilisier­ung vor der Entscheidu­ngsschlach­t am 25. Oktober auf. Er will die absolute Mehrheit bei den Parlaments­wahlen – das Volk werde dann echt frei werden.

Wie das Präsidiala­mt ankündigte, werde der neue Staatschef auch zur UNO-Vollversam­mlung reisen, um dort die Rechte seines Landes »in allen Aspekten« einzuforde­rn. Dazu gehöre eine »entspreche­nde Rolle« in der Region zwischen Baltikum und Schwarzem Meer.

Dass Geschichts­politik beim Marsch der PiS zurück zur vollen Macht eine ungewöhnli­ch wichtige Rolle spielt, zeigte sich auch am Wochenende. Anlässlich des 95. Jahrestags des »Wunders an der Weichsel«, als in einer »der zehn entscheide­nden Schlachten« der Weltgeschi­chte den Bolschewik­en vor Warschau der Weg nach Europa versperrt worden war, hielt der Präsident Heerschau. Nach dem Zapfenstre­ich fand in der Ujazdowski-Allee eine Militärpar­ade statt, an der eine Abteilung der US-Armee teilnahm. Mehrere Geschwader von Kampfhubsc­hraubern, Transport- und Jagdmaschi­nen überflogen den Aufmarsch.

Oberbefehl­shaber Duda erkläre, dass er energische­r als sein Vorgänger Komorowski auf eine wahre Stärkung der NATO-Ostflanke mit ständigen US-amerikanis­chen Basen pochen werde. Alleiniges Bollwerk gegen Russland wolle Polen nicht sein. Seine Formel: Polen ist NATO und NATO ist Polen! Nächstes Jahr auf dem Gipfel des Nordatlant­ik-Paktes in Warschau werde er darauf bestehen. An der notwendige­n Modernisie­rung und Aufrüstung müsse dabei auch die polnische Rüstungsin­dustrie mehr als bisher beteiligt sein.

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