Ruhe bewahren
Die Konjunkturflaute in China ist derzeit noch kein Problem für die deutsche Wirtschaft
China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner jenseits Europas. Sein Straucheln könnte allerdings erst eine Gefahr für die heimische Wirtschaft werden, wenn auch andere Schwellenländer kippen.
Chinas Konjunkturdelle strahlt bereits ins Ausland aus. Japans Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,6 Prozent, wie die Regierung in Tokio am Montag bekanntgab. Der Grund hierfür war vor allem der Einbruch im Handel mit Japans wichtigstem Wirtschaftspartner. Um 4,4 Prozent ging der Export der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt nach China zurück. Doch auch hierzulande ist man bereits nervös geworden. Besonders die Aktien großer Autobauer gerieten ins Wanken, als vergangene Woche eine Hiobsbotschaft nach der anderen aus der Volksrepublik kam.
Dabei geht es der hiesigen Wirtschaft eigentlich recht gut zurzeit. Die 30 größten Aktiengesellschaften Deutschlands konnten im zweiten Quartal dieses Jahres ihre Umsätze um elf Prozent auf zusammen 335 Milliarden Euro steigern. Ihr Gewinn stieg ebenfalls um zehn Prozent auf das Rekordniveau von 32 Milliarden Euro. Das Bruttoinlandsprodukt stieg dank des schwachen Euros und der guten Exportzahlen um 0,4 Prozent. Was ist jedoch, wenn die Wirtschaft im Reich der Mitte noch weiter einbricht?
Schließlich ist China seit langem nicht mehr bloß die Werkbank der Welt – für viele deutsche Unternehmen ist es auch ein wichtiger Absatzmarkt. Gemessen am Handelsvolumen ist die Volksrepublik der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik außerhalb Europas. Waren im Wert von 74 Milliarden Euro wurden 2014 gen Fernost exportiert. Im Mai dieses Jahres jedoch sind die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,3 Prozent zurückgegangen – von 6,2 auf 5,6 Milliarden Euro. Dies macht sich mittlerweile auch im Hamburger Hafen bemerkbar, dessen größter Handelspartner China mit Abstand ist. In den ersten sechs Monaten diesen Jahres wurden dort deutlich weniger Container um- geschlagen als ein Jahr zuvor. Neben dem extrem schlechten Geschäft mit Russland war vor allem das Minus von über zehn Prozent im Handel mit China dafür verantwortlich.
Der eine oder andere Wirtschaftsexperte wird da bereits unruhig. So sieht Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer etwa auf Grund der Konjunkturschwäche in China Abwärtsrisiken für die hiesige Wirtschaft im kommenden Jahr. Die deutsche Konjunktur werde die Probleme im China-Geschäft auf Dauer nicht vollständig kompensieren können, meint Krämer.
Andrew Watt vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) rät jedoch dazu, Ruhe zu bewahren. »China macht lediglich 6,6 Prozent der deutschen Exporte aus«, so der Konjunkturexperte gegenüber »neues deutschland«. Die Wirtschaft hierzulande sieht Watt in den kommenden zwölf Monaten weniger vom Außenhandel als viel mehr von der Binnennachfrage getrieben. »Gute Arbeitsmarktzahlen und Lohnzuwächse lassen den privaten Konsum nämlich steigen.«
Mt der dreifachen Abwertung des Yuan vergangene Woche durch die chinesische Notenbank versucht Peking Watt zufolge, seinen Export wieder anzukurbeln, der jüngst um 8,3 Prozent gesunken war. »In der Tat war der Yuan bisher sehr stark. Seit dem Jahr 2010 hat er real effektiv um ungefähr 30 Prozent aufgewertet«, schätzt Watt. In einzelnen Sektoren wie der Automobilbranche könnte es jedoch zu Problemen kommen. »Vor allem, wenn auch andere Schwellenländer wie Brasilien weiter ins Straucheln geraten. Wenn diese Länder weiter abwärtsgerichtet sein sollten, wäre dies besorgniserregend«, meint der Ökonom.
Allerdings richtet er sein Hauptaugenmerk vor allem auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone. Von April bis Juni wuchs dort das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent zum Vorquartal. Diese Zahlen seien zwar keine Katastrophe, aber ziemlich mau, meint Watt. »Insbesondere Frankreich und Italien müssten zu einem ordentlichen Wirtschaftswachstum zurückkehren«.