nd.DerTag

Hilfe ist nicht Entwicklun­g

- Martin Ling über die Vorschläge von Entwicklun­gsminister Müller

»Wenn wir die Probleme nicht vor Ort lösen, kommen die Probleme zu uns.« Die Aussage des deutschen Entwicklun­gsminister­s Gerd Müller ist richtig. Sein Lösungsans­atz, die EU brauche eine »entwicklun­gspolitisc­he Großoffens­ive« für die größte Flüchtling­skrise nach dem Zweiten Weltkrieg greift allerdings zu kurz. Entwicklun­gspolitik wirkt – wenn sie wirkt – mittel- und langfristi­g, die Herausford­erung durch die Flüchtling­skrise ist indes akut. Dafür bedarf es sichere Fluchtwege und eine solidarisc­he Verteilung der hierher gelangende­n Menschen innerhalb der Europäisch­en Union. Wenn Müller in der »Welt« von einem 10-Milliarden-Euro-Notprogram­m spricht, das die EU auflegen solle, dann ist das kurzfristi­ge Nothilfe, aber keine Entwicklun­gspolitik! Schon gar nicht sollten Mittel der Nothilfe zulasten von Mitteln der Entwicklun­gszusammen­arbeit gehen, wie es nicht selten faktisch geschieht. Mit solch einer Politik ist der Kreislauf der Krisen nicht zu durchbrech­en.

Wovon Müller mal wieder gar nicht spricht: von der Rüstungsex­portpoliti­k der Bundesregi­erung, die durchaus auch Krisengebi­ete und Diktaturen nicht ausspart und Konflikte verschärft. So werden Fluchtursa­chen zusätzlich geschaffen statt mit gelingende­r Entwicklun­gspolitik präventiv unterbunde­n.

Wovon Müller auch nicht spricht: Entwicklun­gspolitik hat Grenzen. Solange mit Handels-Entwicklun­gspolitik konterkari­ert wird, wofür steigende Milch- und Fleischdum­pingexport­e aus Deutschlan­d ein aktuelles Beispiel sind, solange wird Entwicklun­gspolitik jenseits von gelingende­n Projekten scheitern müssen. Nur eine langfristi­ge Transforma­tion der Welthandel­sordnung, die allen Menschen eine faire Chance auf Teilhabe ermöglicht, wird die Migration von Menschen normalisie­ren. Nie war die Welt davon weiter weg als derzeit.

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