Hilfe ist nicht Entwicklung
»Wenn wir die Probleme nicht vor Ort lösen, kommen die Probleme zu uns.« Die Aussage des deutschen Entwicklungsministers Gerd Müller ist richtig. Sein Lösungsansatz, die EU brauche eine »entwicklungspolitische Großoffensive« für die größte Flüchtlingskrise nach dem Zweiten Weltkrieg greift allerdings zu kurz. Entwicklungspolitik wirkt – wenn sie wirkt – mittel- und langfristig, die Herausforderung durch die Flüchtlingskrise ist indes akut. Dafür bedarf es sichere Fluchtwege und eine solidarische Verteilung der hierher gelangenden Menschen innerhalb der Europäischen Union. Wenn Müller in der »Welt« von einem 10-Milliarden-Euro-Notprogramm spricht, das die EU auflegen solle, dann ist das kurzfristige Nothilfe, aber keine Entwicklungspolitik! Schon gar nicht sollten Mittel der Nothilfe zulasten von Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit gehen, wie es nicht selten faktisch geschieht. Mit solch einer Politik ist der Kreislauf der Krisen nicht zu durchbrechen.
Wovon Müller mal wieder gar nicht spricht: von der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung, die durchaus auch Krisengebiete und Diktaturen nicht ausspart und Konflikte verschärft. So werden Fluchtursachen zusätzlich geschaffen statt mit gelingender Entwicklungspolitik präventiv unterbunden.
Wovon Müller auch nicht spricht: Entwicklungspolitik hat Grenzen. Solange mit Handels-Entwicklungspolitik konterkariert wird, wofür steigende Milch- und Fleischdumpingexporte aus Deutschland ein aktuelles Beispiel sind, solange wird Entwicklungspolitik jenseits von gelingenden Projekten scheitern müssen. Nur eine langfristige Transformation der Welthandelsordnung, die allen Menschen eine faire Chance auf Teilhabe ermöglicht, wird die Migration von Menschen normalisieren. Nie war die Welt davon weiter weg als derzeit.