Willkommenskreis hilft beim Einleben in der Fremde
Bürger aus Neuhardenberg haben sich zusammengetan, um die in ihrer Nachbarschaft untergebrachten Flüchtlinge zu unterstützen
Brandenburger und Flüchtlinge sitzen gemeinsam in einem märkischen Garten. Sonnenschirme, kalte Getränke, freundliche Atmosphäre. Doch das Idyll hat auch Schattenseiten.
»Warten, warten, warten!« Jama aus Somalia und Mohamed aus Syrien sind es leid. Die beiden Asylbewerber würden lieber arbeiten, für ihre Familien sorgen. Doch die Wirklichkeit in Deutschland sieht für sie anders aus: Sie haben keine eigene Wohnung, keine Arbeit, kein Konto bei der Bank. Die Männer wohnen beengt in einem Asylbewerberheim in Neuhardenberg (Märkisch-Oderland). Nebenan stehen Plattenbauten leer. Das alles zu verstehen fällt schwer, auch dem Verein Willkommenskreis.
»Wir sind nicht akzeptiert«, sagt Mohamed. Er versteht die Gesetzgebung nicht. »In Deutschland werden doch Arbeitskräfte gebraucht? In den Unterkünften warten Mediziner, Techniker, Ingenieure und haben keine Chance.« Wieso gebe es im Heim kein WLAN, um ins Internet zu gehen? Wie solle er den Kontakt zur Familie in Syrien halten? »Warum ist das hier so?« Der 32-Jährige hat Fragen über Fragen, auch zu langen Wartezeiten bei Fachärzten, nicht erledigten Wohnungsanträgen, schlechten Verkehrsanbindungen in dem Ort am Rande des Oderbruchs.
Das Asylbewerberheim liegt gegenüber dem Grundstück von Familie Nachtsheim. »Als die Flüchtlinge vor zwei Jahren kamen, gab es nur zwei Möglichkeiten: helfen oder abschotten«, erinnert sich Hildegard Nies-Nachtsheim. Die Antwort war schnell klar. Mit Gleichgesinnten gründete das aus Süddeutschland stammende Ehepaar den Willkommenskreis. »Wir tun was – das war unser Ansatz«, sagt Nies-Nachtsheim. Die Menschen seien erschöpft und traumatisiert angekommen, einige inzwischen depressiv geworden. Bei Treffen wie an diesem Nachmittag im Garten hört sich das Paar die Sorgen der Flüchtlinge an.
Wie ihr Mann Horst hatte Hildegard Nies-Nachtsheim in ihrem Berufsleben in sozialen Bereichen gearbeitet. Daran knüpften beide an. Sie fahren und begleiten Flüchtlinge zu Ärzten, übersetzen, unterrichten Deutsch, organisieren Spielenachmittage und werden bei Behörden vorstellig. »Wir sind dabei geblieben und machen, was wir können«, berichtet Hildegard Nies-Nachtsheim. »Wir versuchen zu helfen, damit sie einigermaßen normal leben können.« So hat das Ehepaar durch Vermittlung von Freunden 25 Fahrräder für die Heimbewohner beschafft.
Sie zeigten aber auch auf, was nicht funktioniere, sagt sie. Und ihr Mann ergänzt: »Wir legen den Finger in die Wunde.« Das werde aber von der Heimverwaltung als Störung des Ablaufs angesehen. »Wichtig ist doch, immer eine Lösung zu finden, damit es weitergeht.«
Ein albanischer Heimbewohner lobt das Engagement »seiner« Nachbarn: »Wenn es Familie Nachtsheim nicht gäbe, wäre es viel schwerer für uns. Sie sind unsere einzige Hoffnung auf Hilfe«, sagt er und freut sich, dass er mit Hildegard Nies-Nachtsheim Griechisch sprechen kann – eine Sprache, die beide verstehen. Am schlimmsten sei die Langeweile, keine Aufgabe zu haben. Ein Sprachkurs sei zu Ende, der nächste beginne erst im Herbst. »Da geht enorm wertvolle Zeit verloren«, sagt Horst Nachtsheim.
Im Landkreis Märkisch-Oderland, zu dem Neuhardenberg gehört, leben inzwischen mehr als 1000 Flüchtlinge. Das Heim im Ort wird vom Internationalen Bund (IB) betrieben. Ein Sprecher der Heimleitung verweist auf die aktuelle Gesetzgebung. Sie sieht in Brandenburg sechs Quadratmeter Wohnfläche pro Flüchtling vor. »Wir haben einen Computerraum mit Internet-Anschluss«, sagt er. Eine WLAN-Verbindung für mobile Geräte fehle zwar, doch der Landkreis suche nach einer Lösung.
Der IB-Sprecher verweist darauf, dass auch Probleme aufseiten der Flüchtlinge manche Lösung behindern. So hätten einige von ihnen keine Papiere, die ihre Identität bestätigen. Wie aber soll man so mit denen Verträge abschließen, damit sie das Internet nutzen oder ein Bankkonto einrichten könnten? »Man muss beide Seiten verstehen«, betont er.
18 Helfer engagieren sich im Willkommenskreis. »Familie Nachtsheim ist der Motor des Ganzen, der Verein ist eine Lobby für die Flüchtlinge«, betont Mario Eska. Er war 2013 Bürgermeister in Neuhardenberg, als die 180 Flüchtlinge erwartet wurden. »Es war gut, dass wir damals schnell Versammlungen mit Einwohnern zur Thematik organisiert und aufgeklärt haben«, erinnert er sich. Am 8. Oktober ist wieder eine Zusammenkunft geplant. »Nach zwei Jahren wollen wir hören, welche Erfahrungen die Einwohner mit den Flüchtlingen gemacht haben.«