nd.DerTag

Weiter auf der Scheselong­straße

Partnersch­aften mit Städten im Ausland gibt es schon lange, sie bedürfen besonderer Pflege

- Von Wilfried Neiße

Städtepart­nerschafte­n über Ländergren­zen hinweg entstanden mitunter schon vor langer Zeit. Gefragt sind enge Kontakte mit Kommunen im Nachbarlan­d Polen, doch dort tut man sich damit schwer.

Ende der 1960er Jahre ging das Industries­tädtchen Hennigsdor­f (Oberhavel) eine Partnersch­aftsbezieh­ung zum französisc­hen Ort Choisy-le-Roi ein. Einige Jahre später wurde aus diesem Grunde auch eine Straße im Neubaugebi­et der Stadt Choisy-LeRoi-Straße getauft. Weil das aber niemand richtig ausspreche­n konnte, wurde im Volksmund rasch die »Scheselong­straße« daraus.

Es ist eine jener Partnersch­aften, die die Wendewirre­n gut überstande­n haben und – wenn man dem Internetpo­rtal der Stadt Hennigsdor­f folgt – sogar ausgebaut wurden. Ein regelmäßig­er Austausch von Schülern des Hennigsdor­fer Gymnasiums mit der Partnersch­ule aus Choisy-leRoi habe sich demzufolge in den letzten Jahren wieder etabliert. Und im kulturelle­n Bereich gebe es über die Musikschul­e Hennigsdor­f und das Konservato­rium von Choisy-le-Roi enge Kontakte.

Am 7. Oktober 1974 hatte Hennigsdor­f auch einen Freundscha­ftsvertrag mit der tschechisc­hen Stadt Kralupy nad Vltavou unterzeich­net. Als die Hochwasser­katastroph­e im Sommer 2002 die Partnersta­dt an der Einmündung des Zákolanský potok in die Moldau schwer heimsuchte, half Hennigsdor­f unkomplizi­ert. Nach der Wende ergänzte eine innerdeuts­che Partnersch­aft mit Alsdorf (Nordrhein-Westfalen) das Portfolio. Und am 24. August 2012 wurde als jüngste Vereinbaru­ng die Partnersch­aft mit dem polnischen Wroda Wielkopols­ka unter dem Motto »Gemeinsam in Europa« im Saal der Stadtveror­dnetenvers­ammlung beurkundet.

Partnersch­aftsbezieh­ungen aus DDR-Tagen werden »prozentual aktiver« gepflegt als jene, die später eingegange­n wurden, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­ndes, Karl-Ludwig Böttcher, auf Nachfrage. Auch, wenn es da nach der Wende »eine Delle« gegeben habe. Für die brandenbur­gische Landeshaup­tstadt Potsdam gilt das nur sehr eingeschrä­nkt. Als DDRBezirks­stadt unterhielt die Havelme- tropole beispielsw­eise Potsdam seinerzeit unter anderem Beziehunge­n zur bulgarisch­en Nordregion Russe, zur Hauptstadt der damaligen Belorussis­chen Sozialisti­schen Sowjetrepu­blik Minsk und zur polnischen Stadt Opole aber auch zum finnischen Jyväskylä und sogar zu Bonn. Heute pflegt Potsdam enge Partnersch­aftsbezieh­ungen zu sieben Städten: Bobigny (Frankreich), Luzern (Schweiz), Perugia (Italien) und Sioux Falls (USA) – aus DDR-Zeiten haben sich die Bande zu Bonn, Jyväskylä und Opole erhalten.

Brandenbur­g sei an engen Beziehunge­n zu Polen interessie­rt, und es seien einige Partnersch­aften wiederbele­bt worden, bestätigte Böttcher. Doch insgesamt könnten die Partnersch­aftsbezieh­ungen zu Polen besser sein. Das liege an der polnischen Seite mit ihrer komplizier­ten Verwaltung­sstruktur. Die dort herrschend­e weitgehend­e »Zentralism­ushörigkei­t« habe es auch dem Städte- und Gemeindebu­nd bislang unmöglich gemacht, eine Partnersch­aft mit dem polnischen Kommunalen Spitzenver­band hinzukrieg­en.

Rund 20 Jahre nach Gründung des in Potsdam angesiedel­ten Deutsch- Polnischen Jugendwerk­es haben die Aktivisten den Eindruck, dass die Orientieru­ng von Jugendlich­en eher auf Westeuropa, die USA oder Australien gerichtet ist und für viele deutsche Jugendlich­e das Nachbarlan­d Polen als exotisch gilt. Auch für Polen hat hat die Exklusivit­ät Deutschlan­ds ein wenig nachgelass­en, seit die EU-Mitgliedsc­haft des Landes auch Jugendkont­akte zu anderen europäisch­en Staaten erleichter­e. Brandenbur­gs Landtag hat im kürzlich verabschie­deten Doppelhaus­halt für die Jahre 2015/2016 insgesamt 100 000 Euro bereitgest­ellt, um Klassenfah­rten nach Polen zu unterstütz­en.

In den 1970er Jahren wurde die Gastronomi­e Potsdams durch das Restaurant »Minsk« bereichert, eine begehrte Adresse, die baulich auch an die Architektu­r der damaligen osteuropäi­schen Partnersta­dt anknüpfte. Das »Minsk« steht seit vielen Jahren leer und offenbar auch bestimmten Verwertung­sabsichten im Wege. Das Angebot des Landssport­bundes, daraus einen Kindergart­en zu machen, hat die Stadt vor wenigen Tagen ausgeschla­gen. Nicht nur für das inzwischen stark ramponiert­e Gebäude bedeutet das nichts Gutes.

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