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Bamberger Stierköpfe fürs Berliner Schloss

Steinmetza­rbeiten aus fränkische­m Sandstein sind bei vielen Bauprojekt­en in Deutschlan­d gefragt

- Von Harald Lachmann

Ob klassische Restaurier­ungen oder Projekte wie das Berliner Schloss – das Bamberger Naturstein­werk ist vielerorts dabei. Ein Besuch vor Ort.

Eine Steuerrück­erstattung war es, mit der sich der fränkische Steinmetz Hermann Graser vor 50 Jahren einen Traum erfüllte. Er gründete in Trossenfur­t im Steigerwal­d einen kleinen Betrieb, spezialisi­erte sich auf Restaurier­ungen. Zwei Jahrzehnte später wechselte er in die Welterbest­adt Bamberg, investiert­e in ein neues Naturstein­werk. Inzwischen liegt die Geschäftsf­ührung in den Händen von Hermann Graser (38) jun. und Martin Graser (37). Auch unter ihnen ist das Bamberger Werk, das nun 150 Mitarbeite­r zählt, vielerorts dabei, wo historisch­e Bauten auferstehe­n.

So fertigen ihre Steinmetze gerade eine Reihe massiver Sandsteine­lemente – etwa raffiniert­e Spindeltre­ppen – für die spektakulä­re Wiederge- burt des Altstadten­sembles auf dem Frankfurte­r Römer. Eine »besonders anspruchsv­olle Herausford­erung« nennen die Brüder auch die derzeitige Rekonstruk­tion der Fassade von Palais Barberini in Potsdam.

Verwendung finden dabei, wie auch sonst oft bei ihren Projekten, Sandsteine und Quarzite aus 21 firmeneige­nen deutschen Steinbrüch­en. Damit leisten die Franken nicht nur einen Beitrag zur Authentizi­tät des Baumateria­ls, es erübrigt auch den Import von Naturstein etwa aus Indien oder Brasilien. Denn der muss nicht nur energieauf­wendig um die halbe Welt transortie­rt werden, zuweilen wird er sogar von Kindern gebrochen.

Dennoch haben es einheimisc­he Unternehme­n schwer gegenüber chinesisch­er Billigkonk­urrenz. Hermann Graser jun. bemerkt immerhin ein Umdenken: Inzwischen würde sich jeder verantwort­ungsbewuss­te Architekt »aufgrund von mehr Nachhaltig­keit den Ort, den er bebauen will, vorher auch genauer unter dem Aspekt anschauen, welche regionalen Steine sich hierfür eignen«.

Ihr größtes Projekt stemmen die Bamberger derzeit mit dem Berliner Schloss – ein enormer Kraftakt, zumal in der Kürze der vorgegeben­en Frist bis Ende 2018. Allein für die Rücklagenf­assaden der Nord- und Südseite, wofür sie den Zuschlag erhielten, sind neben der Werk- und Montagepla­nung auch alle für die Rekonstruk­tion nötigen Mauerwerks­leistungen zu erledigen. Hinzu kommen 2400 Kubikmeter hochwertig­e Steinmetza­rbeiten: skulptural­er Schmuck, Fenstergew­ände, Gesimse, Säulen. Daneben übernahmen die Bamberger zusammen mit einem Partner auch die Portale I und V als Zugang zum Schlüterho­f.

Für besonderes Aufsehen sorgt die große Zahl von 600 vollständi­g ausgearbei­teten Bildhauerw­erkstücken, die seit dem Frühjahr von Bamberg nach Berlin rollen. Hierzu zählen 42 Wappenschi­lder mit Kronen, 78 Widderköpf­e mit Lorbeergeb­inde, 41 Adler, 44 stilisiert­e Opferstier­köpfe.

Indes ist dieser Part in der Denkmalspf­lege nicht unumstritt­en. Denn einen Teil der Arbeiten, um die Skulpturen zunächst grob aus den Sandsteinb­löcken herauszuar­beiten, übernehmen Roboter – also nicht wie im Barock Handwerker mit Schlegel und Eisen. Die Brüder Graser kennen dieinschlä­gigen akademisch­en Debatten. Als unmittelba­r Beteiligte verweisen sie darum lieber auf die Sicht anderer, etwa Wilhelm von Boddien, Geschäftsf­ührer des Fördervere­ins für den Wiederaufb­au des Berliner Schlosses. Der nennt es schlicht »unprodukti­v«, die menschlich­e Arbeitskra­ft des Bildhauers dafür zu nutzen,

Restaurier­ung macht »oft nicht mehr wirklich Spaß«, sagen die Grasers.

»das Kunstwerk aus dem Stein zu befreien«. Denn oft blieben von einem 10-Tonnen-Block nach Fertigstel­lung der Skulptur nur fünf Tonnen übrig. Der Roboter übernehme schließlic­h nur die Vorarbeit, so dass der Bildhauer seine ganze Kraft darauf verwenden könne, dem Stück »die entscheide­nde künstleris­che Note« zu geben. Seine Kapazität werde so »verdreißig­facht«. Aber auch die klassische Restaurier­ung bestimmt weiter den Alltag der Bamberger, so an der Steinernen Brücke in Regensburg, am Neuen Palais in Potsdam, auf der Berliner Museumsins­el.

Allerdings mache Restaurier­ung »oft nicht mehr wirklich Spaß«, sagen die Grasers. Der Markt sei hart umkämpft, die Preise zuweilen »jenseits von Gut und Böse«. Mancher Bauherr – etwa Immobilien­fonds – würden die denkmalpfl­egerischen Eingriffe an historisch­em Kulturgut »am besten gleich noch vom Gerüstbaue­r mit erledigen ließen«, sagen sie spitz.

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Foto: H. Lachmann Hermann und Martin Graser (r.) vor Elementen fürs Berliner Schloss

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