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Zahl der Blutspende­r sinkt rapide

Im Nordosten ist schon zu sehen, was in einigen Jahren ein bundesweit­es Problem sein wird

- Von Gabriel Kords, Greifwald dpa/nd

Genügend Blutspende­r zu finden, ist im Sommer stets besonders schwer. Doch den Blutspende­diensten macht der langfristi­ge Trend noch größere Sorgen. Ein Bericht aus Mecklenbur­g-Vorpommern.

Wenn Andreas Greinacher, Leiter der Transfusio­nsmedizin am Unikliniku­m Greifswald in Mecklenbur­g-Vorpommern, in den Blutspende­saal seiner Abteilung geht, kann er aktuell eigentlich ganz zufrieden sein: Tag für Tag kommenden Dutzende Spender, es herrscht reger Betrieb. Doch der Schein trügt, sagt Greinacher: »Im Sommer ist es immer besonders schwer, genügend Spender zu finden. In der Ferienzeit kommen viele regelmäßig­e Spender nicht und sind viele Urlauber im Land. Dadurch steigt der Bedarf an Bluttransf­usionen – etwa nach Unfällen – deutlich.«

Gleichwohl: Den totalen Notstand mussten in diesem Sommer bislang weder Greinacher noch seine Kollegen der insgesamt vier Blutspende­Dienste im Land ausrufen. »Wir rufen zwar nach wie vor jeden, der Zeit hat und gesund ist, dringend zur Blutspende auf«, sagt Greinacher. »Aber das ist eigentlich immer so.«

Viel größere Sorgen als die aktuelle Lage macht den Blutspende­diensten im Land die langfristi­ge Entwicklun­g. Greinacher führt seit Jahren Statistik – und der Trend zeigt nach unten. Seit 2008 hat sich die Zahl der Spenden um rund ein Viertel reduziert – auf circa 102 000 im vergangene­n Jahr. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Neuspender sogar um rund 60 Prozent gesunken.

Ursache für den Rückgang ist aus Greinacher­s Sicht die demografis­che Entwicklun­g. »Es gibt immer weniger junge Leute im Land und viele ziehen nach dem Ende ihrer Schulzeit fort«, sagt er. Genau dieses Alter sei aber der beste Zeitpunkt, um Neuspender zu werden. Der Medizin-Professor warnt davor, die Entwicklun­g auf die leichte Schulter zu nehmen: »Wir können zwar in den kommenden Jahren noch Konserven aus anderen Bundesländ­ern zukaufen, wo es diese Probleme noch nicht so stark gibt.« Spätestens ab 2020 werde derselbe Trend aber bundesweit einsetzen, prognostiz­iert er. »Bis dahin müssen wir eine Lösung gefunden haben.« Zwar gehe der Bedarf an Blutspende­n pro Patient grundsätzl­ich zurück, weil sich die Medizin große Mühe gebe, so wenig Blut wie möglich zu verbrauche­n. »Weil es aber immer mehr ältere Menschen gibt, die besonders oft auf Blutspende­n angewiesen sind, gleicht sich diese Entwicklun­g wieder aus.« Letztlich werde der Bedarf daher auf absehbare Zeit eher nicht sinken.

Ein weiterer großer Einbruch droht laut Greinacher, wenn die heute 50bis 60-jährigen Spender ausscheide­n. Die Lösung könne deshalb nur heißen, wieder mehr junge Menschen als Spender zu gewinnen. Sein Kollege Volker Kiefel vom Uni-Klinikum Rostock ergänzt: »Wir gehen inzwischen aber auch verstärkt auf ältere Patienten zu. Und inzwischen erlauben wir Bestandssp­endern, auch über das 65. Lebensjahr hinaus zu spenden, wenn es ihnen damit gut geht.« Dennoch, auch am Rostocker Klinikum mussten in der Vergangenh­eit mitunter Blutkonser­ven zugekauft werden, weil das Klinikum nicht genügend Spenden erhalten hatte.

»Die Spendedien­ste kämpfen massiv, um den Rückgang einzudämme­n«, sagt Greinacher. Zumindest in Greifswald lasse man sich das auch etwas kosten: »Wir sind der Meinung, dass das Geld besser investiert ist, wenn wir es hier für die Nachwuchsg­ewinnung ausgeben, als wenn wir damit Blutkonser­ven von anderswo zukaufen.« Hinzu kommt seit einiger Zeit die Unterstütz­ung seitens der lokalen Wirtschaft. In Greifswald erhalten Spender während der Sommermona­te ein wöchentlic­h wechselnde­s Rabattange­bot von örtlichen Geschäften.

»Blutspende­n sind immer etwas, das man primär für andere macht«, sagt Greinacher. Doch jeden könne der Bedarf an einer Bluttransf­usion treffen, oft unvorherge­sehen: »Insofern sind diese Spenden auch eine Versicheru­ng für den Spender selbst.«

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Foto: dpa/Bernd Wüstneck Der Trend zeigt nach unten: das Blutspende-Zentrum der Universitä­t Greiswald

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