Keine Hilfe ohne Berechnung
Zu »Entwicklungsziele werden nachhaltig«, 4.8., S. 1
Die westliche politische Klasse und ihre Stichwortgeber versuchen im Augenblick im Rahmen ihrer neoliberalen und sozialdarwinistischen Umverteilungsoffensive in immer neuen Anläufen den Lebensstandard der abhängig Beschäftigten bei uns so weit zu drücken, dass unsere Exportwirtschaft weiterhin mit den Billiglohnländern konkurrieren kann. Da wäre es doch sehr erstaunlich, wenn sie nun gerade im globalen Süden Wohltaten verteilen wollten, die viel Geld kosten würden, das die Gewinne bei uns auf der gewünschten Höhe hält.
Wenn die »Republik des Eigentums« (Hardt/Negri) schon keine Skrupel hat, ihr eigenes Humankapital – wie in Griechenland und anderen südlichen europäischen Ländern – ins Elend zu stürzen, dann dürfte es bei den Menschen in den »unterentwickelten« Regionen der Erde kaum ein Problem sein, sie in ihrem Elend zu belassen. Dabei besteht die eigentliche Aufgabe der dritten Welt aus der Sicht des Westens heute vor allem darin – wie wir es seit den neuartigen »Freihandelsverträgen« wissen – in ihren Ländern profitable und risikofreie Bedingungen für die Investoren zu schaffen, die mit ihrem überschüssigen Geld doch etwas »Sinnvolles« anfangen müssen. Und das wiederum legt den Gedanken nahe, dass es bei den Wohltaten des Westens kaum um »Hilfe zur Selbsthilfe« gehen wird, wie es einmal hieß und wie es eigentlich das Ziel einer Entwicklungshilfe sein müsste, die den globalen Süden von den Almosen der reichen Industrieländer unabhängig macht, indem sie ihm zur Wiedergutmachung wirtschaftlich auf die eigenen Beine hilft.
Ludwig Schönenbach, Bremen