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Gigant mit Schlagseit­e

Brasiliens Wirtschaft im Abwärtssog

- AFP/nd

Verglichen mit anderen großen Schwellenl­ändern schafft es Brasilien eher selten in die Schlagzeil­en der deutschen Wirtschaft­spresse. Dabei ist der extrem rohstoffre­iche Staat die siebtgrößt­e Volkswirts­chaft der Erde und übertrifft sowohl Indien als auch Russland. Brasilien gilt trotz erhebliche­r aktueller Probleme als aufstreben­de Macht.

Hiesige Unternehme­n exportiert­en Waren im Wert von 10,4 Milliarden Euro, darunter Autos, Maschinen und pharmazeut­ische Produkte. Die Importe im Wert von 9,2 Milliarden Euro entfielen vor allem auf Kaffee, Eisenerz, Soja, Kupfer, Rohöl und Flugzeuge.

Zahlreiche deutsche Unternehme­n sind in Brasilien teils bereits seit langem mit Tochterunt­ernehmen aktiv, weshalb die von ihnen umgesetzte­n Waren konzernint­ern abgerechne­t werden. Paradebeis­piel sind die großen Autoherste­ller. Die in den 50er Jahren gegründete Brasilien-Tochter von VW ist nach eigenen Angaben der größte inländisch­e Autoherste­ller und eines der größten Privatunte­rnehmen des Landes. Volkswagen do Brasil beschäftig­t in vier Werken 20 000 Menschen und baute schon mehr als 22 Millionen Autos für den südamerika­nischen Markt – darunter spezielle Schwellenl­änder-Modelle wie den Gol.

Schätzunge­n zufolge tragen deutsche Firmen insgesamt etwa zehn Prozent zum industriel­len Bruttoinla­ndsprodukt von Brasilien bei. São Paulo gilt sogar als der größte deutsche Industries­tandort außerhalb der Bundesrepu­blik.

Derzeit bauen etliche deutsche Konzerne ihre Präsenz in Brasilien aus: Vor zwei Monaten weihte der Chemieries­e BASF im Bundesstaa­t Bahia einen rund 500 Millionen Euro teuren Produktion­skomplex für Grundstoff­e ein, die für Babywindel­n, Wandfarben und Klebstoff verwendet werden. Der Autoherste­ller BMW baut für rund 200 Millionen Euro einen neues Werk im südlichen Bundesstaa­t Santa Catarina.

Der Moment allerdings ist nicht der beste. Das lange mit robusten Wachstumsr­aten glänzende Land mit seinen rund 200 Millionen Einwohnern kämpft derzeit mit sich rapide eintrübend­en Perspektiv­en. Der Preisverfa­ll für wichtige Export-Rohstoffe wie Erdöl und Eisenerz, eine steigende Inflations­rate sowie eine schwierige innenpolit­ische Lage mit einem Korruption­sskandal in der Regierung und einem endlosem Ringen um Sparpakete lasten auf der Stimmung und lassen die Investitio­nsund Konsumneig­ung sinken.

Laut Weltbank wuchs das Bruttoinla­ndsprodukt Brasiliens im vergangene­n Jahr nur noch minimal um 0,1 Prozent und könnte in diesem Jahr womöglich schrumpfen. Brasilien gilt zudem ohnehin nicht unbedingt als leichter Markt für Investoren. Bürokratis­che Regelungen, hohe Steuern und mangelhaft­e Infrastruk­tur machen es Firmen schwer und haben es als »custo brasil« (brasiliani­sche Kosten) unter Ökonomen zum geflügelte­n Wort gebracht. Vor allem die heimische Industrie gilt als wenig wettbewerb­sfähig.

Trotz der schwierige­n Situation glauben die allermeist­en Beobachter bislang an eine Fortsetzun­g des Aufschwung­s, getragen durch die Binnennach­frage und das immense Potenzial an global begehrten Rohstoffen.

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