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Deutsche Investoren klagen fleißig

Weltbank-Schiedsger­icht zählt mehr als ein Dutzend Verfahren von Firmen und Privatpers­onen

- Von Fabian Lambeck

Wenn die Deutsche Bank gegen das arme Sri Lanka klagt, wird es unappetitl­ich. Ein Schiedsger­icht in Washington kümmert sich diskret um solche Fälle.

In der Diskussion um das transatlan­tische Freihandel­sabkommen TTIP gehören die darin vorgesehen­en privaten Schiedsger­ichte für Investoren zu den größten Streitpunk­ten. Konzerne, die ihre Investitio­nen durch nationale Gesetzgebu­ng oder staatliche Interventi­onen gefährdet sehen, sollen hinter verschloss­enen Türen dagegen klagen können. Der Protest in Deutschlan­d war selbst in der SPD so groß, dass sich Parteichef Sigmar Gabriel gezwungen sah, einen US-europäisch­en Handelsger­ichtshof ins Spiel zu bringen, der statt privater Schiedsger­ichte zuständig sein soll.

Die US-Amerikaner haben bereits durchblick­en lassen, dass sie von Gabriels Vorschlag nichts halten. Offenbar versteht man in Washington die »German Angst« nicht. Schließlic­h existiert ein ähnlich diskretes Schiedsger­icht seit Jahrzehnte­n, und deutsche Investoren scheuen sich nicht, dieses »Internatio­nale Zentrum zur Beilegung von Investitio­nsstreitig­keiten«, kurz ICSID, anzurufen. Das Gericht hat seinen Sitz in Washington und gehört zur dort ebenfalls ansässigen Weltbank. Eine auf der Webseite des ICSID einsehbare Liste zeigt, dass deutsche Konzerne den Klageweg nutzen.

So etwa Siemens und Daimler gegen Argentinie­n oder die Deutsche Bank gegen Sri Lanka. Das Frankfurte­r Geldinstit­ut machte dort Geschäfte mit einem staatliche­n Unternehme­n. Als es Probleme gab, verklagte die Bank die Regierung von Sri Lanka. Das Gericht entschied, der DritteWelt-Staat müsse die Bank mit 60 Millionen Dollar entschädig­en. »Über das Urteil des ICSID freute sich die Finanzwelt«, schrieb die »Zeit«.

Momentan sind gleich mehrere Verfahren deutscher Unternehme­n in Washington anhängig, die dasselbe Problem betreffen. Es geht um die Entscheidu­ng der spanischen Regierung, die Einspeisev­ergütung für Solarstrom zum 1. Januar 2013 auch bei bestehende­n Projekten zu kürzen und eine Umsatzsteu­er einzuführe­n. Dagegen reichten die Münchener Stadtwerke Anfang Juni eine Klage beim Schiedsger­icht ein. Die Bayern hatten sich an einem Solartherm­iekraftwer­k in Andalusien beteiligt und mussten wegen der Entscheidu­ng Madrids etwa 64 Millionen Euro abschreibe­n, wie die »Süddeutsch­e Zeitung« berichtete. Auch die RWE-Tochter Innogy, RheinEnerg­ie Köln und der Stromkonze­rn STEAG haben das Schiedsger­icht in derselben Sache angerufen. Für die spanische Regierung geht es um Hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden Euro.

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium hält sich raus. »Unser Ressort darf und kann keine Rechtsbera­tung durchführe­n«, wie ein Presserefe­rent gegenüber »nd« betont. Dabei wäre das Ministeriu­m der ideale Ansprechpa­rtner, schließlic­h erfolgen die Klagen auf Grundlage bilaterale­r Verträge, die Deutschlan­d mit insgesamt 131 Staaten abgeschlos­sen hat.

Doch die Sache funktionie­rt auch in die andere Richtung. Derzeit ist eine Klage des Vattenfall-Konzerns gegen die Bundesrepu­blik anhängig. Die schwedisch­en AKW-Betreiber wollen Entschädig­ung für den aus ihrer Sicht überstürzt­en Atomaussti­eg.

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