Deutsche Investoren klagen fleißig
Weltbank-Schiedsgericht zählt mehr als ein Dutzend Verfahren von Firmen und Privatpersonen
Wenn die Deutsche Bank gegen das arme Sri Lanka klagt, wird es unappetitlich. Ein Schiedsgericht in Washington kümmert sich diskret um solche Fälle.
In der Diskussion um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP gehören die darin vorgesehenen privaten Schiedsgerichte für Investoren zu den größten Streitpunkten. Konzerne, die ihre Investitionen durch nationale Gesetzgebung oder staatliche Interventionen gefährdet sehen, sollen hinter verschlossenen Türen dagegen klagen können. Der Protest in Deutschland war selbst in der SPD so groß, dass sich Parteichef Sigmar Gabriel gezwungen sah, einen US-europäischen Handelsgerichtshof ins Spiel zu bringen, der statt privater Schiedsgerichte zuständig sein soll.
Die US-Amerikaner haben bereits durchblicken lassen, dass sie von Gabriels Vorschlag nichts halten. Offenbar versteht man in Washington die »German Angst« nicht. Schließlich existiert ein ähnlich diskretes Schiedsgericht seit Jahrzehnten, und deutsche Investoren scheuen sich nicht, dieses »Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten«, kurz ICSID, anzurufen. Das Gericht hat seinen Sitz in Washington und gehört zur dort ebenfalls ansässigen Weltbank. Eine auf der Webseite des ICSID einsehbare Liste zeigt, dass deutsche Konzerne den Klageweg nutzen.
So etwa Siemens und Daimler gegen Argentinien oder die Deutsche Bank gegen Sri Lanka. Das Frankfurter Geldinstitut machte dort Geschäfte mit einem staatlichen Unternehmen. Als es Probleme gab, verklagte die Bank die Regierung von Sri Lanka. Das Gericht entschied, der DritteWelt-Staat müsse die Bank mit 60 Millionen Dollar entschädigen. »Über das Urteil des ICSID freute sich die Finanzwelt«, schrieb die »Zeit«.
Momentan sind gleich mehrere Verfahren deutscher Unternehmen in Washington anhängig, die dasselbe Problem betreffen. Es geht um die Entscheidung der spanischen Regierung, die Einspeisevergütung für Solarstrom zum 1. Januar 2013 auch bei bestehenden Projekten zu kürzen und eine Umsatzsteuer einzuführen. Dagegen reichten die Münchener Stadtwerke Anfang Juni eine Klage beim Schiedsgericht ein. Die Bayern hatten sich an einem Solarthermiekraftwerk in Andalusien beteiligt und mussten wegen der Entscheidung Madrids etwa 64 Millionen Euro abschreiben, wie die »Süddeutsche Zeitung« berichtete. Auch die RWE-Tochter Innogy, RheinEnergie Köln und der Stromkonzern STEAG haben das Schiedsgericht in derselben Sache angerufen. Für die spanische Regierung geht es um Hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden Euro.
Das Bundeswirtschaftsministerium hält sich raus. »Unser Ressort darf und kann keine Rechtsberatung durchführen«, wie ein Pressereferent gegenüber »nd« betont. Dabei wäre das Ministerium der ideale Ansprechpartner, schließlich erfolgen die Klagen auf Grundlage bilateraler Verträge, die Deutschland mit insgesamt 131 Staaten abgeschlossen hat.
Doch die Sache funktioniert auch in die andere Richtung. Derzeit ist eine Klage des Vattenfall-Konzerns gegen die Bundesrepublik anhängig. Die schwedischen AKW-Betreiber wollen Entschädigung für den aus ihrer Sicht überstürzten Atomausstieg.