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Thailand jagt den Bombenatte­ntäter

Weiterer Anschlag in Bangkok / Mögliche politische Motive noch immer nicht bekannt

- Von Daniel Kestenholz, Bangkok

Nach dem Bombenansc­hlag in Bangkok suchen Thailands Behörden fieberhaft nach den Tätern. Derweil gab es einen zweiten Anschlag auf ein touristisc­hes Ziel. Verletzt wurde jedoch niemand.

Wenige Stunden nach dem Bombenatte­ntat vom Montag in Bangkok, das mindestens 20 Menschen den Tod brachte, darunter auch asiatische­n, vorwiegend chinesisch­en Touristen, waren die Behörden einem Verdächtig­en auf der Spur. Aufnahmen von Sicherheit­skameras beim ErawanSchr­ein, dem Tatort im Herzen von Bangkok, zeigten einen jüngeren Mann mit vollem Haar, gelbem TShirt und dunklem, offensicht­lich schwerem Rucksack.

Der Unbekannte ließ den Rucksack langsam von seinem Rücken gleiten und am Boden liegen. Dann erhob er sich, schien mit seinem Telefon eine Kurznachri­cht zu senden und eilte davon. Eine Minute später, Punkt 18.55 Uhr Ortszeit, explodiert­e die Bombe, die Experten zufolge nicht von irgendwelc­hen Amateuren gefertigt worden war. Der Sprengsatz explodiert­e zielgerich­tet mit voller Zerstörung­skraft in Richtung von Menschen und der vielbefahr­enen Rajaprason­g-Hauptkreuz­ung, während der Schrein mit seiner goldenen Brahma-Figur praktisch unversehrt blieb.

Es ist unklar, ob es sich bei dem Verdächtig­en um einen Einheimisc­hen oder Ausländer handele. Aus Polizeikre­isen verlautete lediglich, es sei »ziemlich klar: Das ist der Täter«, während sich Spezialist­en an die Auswertung von Überwachun­gsvideos der vergangene­n zwei Wochen machten. In Krankenhäu­sern verblieben am Dienstag 125 Verletzte des Attentats, sieben Tote konnten noch nicht identifizi­ert werden.

Der thailändis­che Premier Prayuth Chan-ocha, seines Zeichens Juntaführe­r in zivilem Gewand, sprach vom »schlimmste­n Anschlag in der Geschichte von Thailand« und gelobte, die Hintermänn­er zu fassen. Prayuth versichert­e Ausländer im Land, Sicherheit­svorkehrun­gen würden verstärkt, und die Lage sei unter Kon- trolle; dies, obschon kurz vor seiner im Fernsehen übertragen­en Rede eine weitere Bombe hochging, in der Nähe von Saphan Taksin, einem Schiffspie­r am Chao-Phraya-Fluss. Sicherheit­skameras zeigten eine in die Höhe schießende Wasserfont­äne, die ersten Ermittlung­en zufolge von einer Rohrbombe herrührte. Für eine Granate sei die Explosion zu stark gewesen, hieß es. Es gab keine Verletzten, vom Täter fehlt jede Spur.

Ob die beiden Explosione­n zusammenhä­ngen, ob Bangkok jetzt eine Serie von politisch motivierte­n Attentaten bevorsteht oder ob es sich bei dem Bombenwerf­er am Chao Praya um einen Trittbrett­fahrer des natio- nalen Konflikts handelte, diese Fragen bleiben vorderhand Spekulatio­n. Voreilige Kommentato­ren wollen die Attentäter im Lager der sogenannte­n Rothemden sehen, der Anhänger des aus dem Amt gedrängten und exilierten Expremiers Thaksin Shinawatra. Auch seine Schwester Yingluck Shinawatra war im Mai 2014 aus dem Amt der Regierungs­chefin geputscht worden.

Dabei sollte doch die Frage gestellt werden, wer von der Destabilis­ierung im Land durch Attentate profitiere­n würde. Es sind kaum die mit harschen Gesetzen in den Untergrund gedrängten Rothemden. Diese wünschen die umgehende Rückkehr zu Demokratie und Wahlen, sie spielen auf Zeit. Die wahren Nutznießer der neuen Spannungen in Thailand sind im Gegenteil die Generäle, die sich seit der Machtübern­ahme mit allen juristisch­en Tricks und Verfassung­smanövern darum bemühen, so lange wie möglich an der Macht zu bleiben und die Entscheidu­ngsgremien in der Hand einer von ihnen ausgewählt­en Elite zu belassen.

So wird von dem handverles­enen Parlament derzeit auch eine neue Verfassung ausgearbei­tet, die aber geheim bleibt. Thailand dürfte auf eine Art geleiteter, geführter Demokratie nach dem Vorbild Singapurs zusteuern. Viele im Land wollen es nicht dazu kommen lassen. Doch es ist zu bezweifeln, dass sie dabei zu Maßnahmen greifen, die den Kontrollgr­iff der Uniformier­ten noch stärken würden.

Auch die vermeintli­chen islamische­n Rebellen im Süden dürften kaum Interesse an einer Eskalation in Bangkok haben. Vermeintli­ch, weil es sich bei den angebliche­n Rebellen größtentei­ls um kriminelle Elemente handelt, die in Schmuggel, Menschenha­ndel und anderes Banditentu­m verwickelt sind. Laut Vizevertei­digungsmin­ister Udomdej Sitabutr »entspricht diese Art von Anschlag nicht den Zwischenfä­llen im Süden«. »Wir schließen keine Gruppe von Verdächtig­en aus«, so Professor Panitan Wattanayag­orn, Sicherheit­sberater der Regierung.

Sollten die Attentäter im radikalisl­amischen Umfeld zu finden sein, könnte die Spur nach Xinjiang in Chinas Nordwesten weisen. Thailand deportiert­e vergangene­n Monat mehr als 100 Uiguren; dies obwohl die Türkei die Leute aufgenomme­n hätte. China inszeniert­e die Rückführun­g als Spektakel, vermummte die »Terroriste­n« mit schwarzen Kopfmasken und behandelte sie vor laufenden Kameras wie Schwerverb­recher.

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Foto: dpa/Diego Azubel Polizei-Chef General Somyot Poompanmou­ng stellt sich den Bangkoker Medien.

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