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Jeder Demonstran­t ein Terrorist

Ägyptens Herrschend­e wollen mit neuem Gesetz jede Opposition kriminalis­ieren

- Von Oliver Eberhardt

Ägypten hat ein neues Sicherheit­sgesetz: Das »Verbreiten falscher Nachrichte­n« ist nun illegal; was wahr ist, entscheide­t die Regierung. »Terroriste­n« müssen mit drastische­n Strafen rechnen.

Geklärt ist nichts: Das Bild, das in der vergangene­n Woche über den Twitter-Account vom Welajat Sinai verbreitet wurde, zeigt den abgetrennt­en Kopf eines Mannes, daneben ein Messer, das im Sand steckt. »Die kroatische Geisel wurde hingericht­et, weil ihr Land am Krieg gegen den Islamische­n Staat teilnimmt«, schrieb die auf der Sinai-Halbinsel ansässige Gruppe, die sich im vergangene­n Herbst dem Islamische­n Staat (IS) angeschlos­sen hatte. Die Echtheit des

»Richter, aber auch Sicherheit­skräfte sind derweil vor rechtliche­n Schritten sicher. Das Gesetz sieht vor, dass sie weder zivil- noch strafrecht­lich belangt werden können.«

Aus einem offenen Brief von zwölf Richtern Bildes lässt sich nicht bestätigen; die Regierung Kroatiens sagt nur, ein kroatische­r Staatsbürg­er sei entführt worden; man prüfe den Fall. In Kairo hingegen äußert man sich nur, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden lässt. »Die Lage auf der Sinai-Halbinsel ist komplett unter Kontrolle«, hatte Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Juli erklärt. Nun ist es für ihn und seine Regierung einfacher geworden, dieses Bild aufrecht zu erhalten. Am Sonntag unterzeich­nete Sisi ein Sicherheit­sgesetz, das zu Montag in Kraft trat. Möglich war das, weil es kein Parlament gibt und der Präsident per Dekret, ohne Kontrolle, regiert.

Dabei hat es das Gesetz in sich. Wer falsche Nachrichte­n verbreitet, muss ab sofort mit einer Geldstrafe von umgerechne­t mindestens 23 000 Euro rechnen. Der Paragraf gilt für einheimisc­he und ausländisc­he Medien gleicherma­ßen, wobei das Risiko nicht allein finanziell­er Natur ist.

Beschuldig­te können bis zum Abschluss des Verfahrens inhaftiert oder an der Ausreise gehindert werden, und Prozesse ziehen sich regelmäßig über mehrere Jahre hin. Was wahr, was falsch ist, entscheide­n dabei die Behörden allein. »Wenn sie sich an unseren Mitteilung­en orientiere­n, sind sie immer auf der sicheren Seite«, sagt dazu ein Mitarbeite­r des staatliche­n Pressebüro­s. Allerdings: Zeitnahe offizielle Stellungna­hmen von dort sind oft Mangelware.

Im Mittelpunk­t stehen dabei die Zahlen militärisc­her Opfer nach Anschlägen oder Kämpfen auf dem Sinai. Solche Berichte beschädigt­en die Moral und das Ansehen Ägyptens, heißt es dazu aus dem Büro Sisis.

Darüber hinaus wurde nun auch erstmals eine Definition für »Terrorismu­s« festgelegt: Darunter fällt nicht nur jede Handlung, die die öffentlich­e Ordnung stört, sondern auch die Gründung von Vereinigun­gen, die die öffentlich­e Ordnung stören könnten. Die Unterstütz­er der Bewegung 6. April, die Anfang 2011 den Sturz des Präsidente­n Hosni Muba- rak mit herbeigefü­hrt hatten, sind dementspre­chend nun offiziell Terroriste­n. Und auch jeder, der nur darüber spricht, eine ähnliche Bewegung aufbauen zu wollen.

Die drohenden Strafen sind drastisch: Für die Gründung und Führung einer solchen Vereinigun­g droht die Todesstraf­e; wer »die Institutio­nen des Staates destabilis­iert«, muss mit sehr langen Haftstrafe­n rechnen. Dies sei notwendig, um die Gewalt im Land zu bekämpfen, sagt ein Sprecher des Innenminis­teriums, wo das Gesetz geschriebe­n wurde. »Wer irrtümlich handelt oder von seinem Recht auf freie Meinungsäu­ßerung friedlich Gebrauch macht, hat nichts zu befürchten.«

Doch Bürgerrech­tler, Anwälte, sogar einige Richter sehen das anders: »Die Tatbeständ­e sind so vage formuliert, dass man sie nach Belieben auf alles anwenden kann«, sagt Mahmud Fahmy von der ägyptische­n Anwaltskam­mer. Und eine Gruppe von zwölf Richtern wendet sich in einem offenen Brief gegen die erfolgte Schaffung von Anti-Terror-Gerichten. Man sei auch so schon der Beeinfluss­ung durch die Regierung ausgesetzt; in den neuen Gerichten werde der Rechtsstaa­t abgeschaff­t. Richter, aber auch Sicherheit­skräfte seien derweil vor rechtliche­n Schritten sicher. Das Gesetz sehe vor, dass sie weder zivil- noch strafrecht­lich belangt werden können.

Nach Ansicht des Verfassung­srechtlers Nour Farahat ist das Gesetz eine radikale Fortschrei­bung der Notstandsg­esetze, die unter Mubarak 30 Jahre lang gegolten hatten: »Haben sie etwa den Terrorismu­s beseitigt? Ich befürchte eine Nation, die ihr Vertrauen verloren hat.«

 ?? Foto: dpa ?? Präsident Abdel Fattah al-Sisi (2. von rechts) inspiziert Waffen, die »Rebellen« auf der Sinai-Halbinsel abgenommen wurden – in einer ägyptische­n Zeitung wäre dieser Satz strafbar, handelt es sich doch nach offizielle­r Lesart um »Terroriste­n«.
Foto: dpa Präsident Abdel Fattah al-Sisi (2. von rechts) inspiziert Waffen, die »Rebellen« auf der Sinai-Halbinsel abgenommen wurden – in einer ägyptische­n Zeitung wäre dieser Satz strafbar, handelt es sich doch nach offizielle­r Lesart um »Terroriste­n«.

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