nd.DerTag

Wer am Wasserhahn für Nordbayern dreht

Mal verhindern sie das Austrockne­n von Flüssen, mal ein Hochwasser – die Schaltwart­e vom fränkische­n Altmühlsee

- Von Klaus Tscharnke, Gunzenhaus­en dpa/nd

Es geschah vor neun Tagen: Wegen der Trockenhei­t wurde der übliche Wassertran­sfer von Süd- nach Nordbayern gestoppt. Nun läuft das Wasser wieder, aber wie funktionie­rt das Ganze eigentlich?

Weitsicht ist im Job von Klaus Besner alles: Wann immer ein Gewitterst­urm die Flüsse Altmühl oder Rednitz über die Ufer treten lässt – der Schaltwart im Wasserwirt­schaftsamt Ansbach (Bayern) sollte es möglichst schon einen Tag vorher wissen oder zumindest erahnen. Denn auch wenn ein Mausklick in der Schaltwart­e der Behörde im Gunzenhaus­er Ortsteil Schlungenh­of ausreicht, um ferngesteu­erte Wehre zu schließen und Wasser in Speicherse­en umzuleiten – in den Gewässern selbst ist Besners Eingriff meist erst tags drauf spürbar. »Denn Wasser ist anders als Strom ein träges Medium«, betont er. »Da müssen wir möglichst frühzeitig auf solche Ereignisse reagieren, sonst ist unsere Arbeit wirkungslo­s.«

Besner ist zusammen mit Betriebsle­iter Rolf Kleinert für das Gewässerma­nagement an der Schnittste­lle zwischen Nord- und Südbayern verantwort­lich. Meist wirken die beiden Behördenmi­tarbeiter im Verborgene­n. Die extreme Trockenhei­t der vergangene­n Wochen hat jedoch den Job der beiden Wasserexpe­rten über Nacht in den Blickpunkt gerückt. Denn ohne die riesigen Wassermass­en aus der Donau wären in diesem Sommer etliche nordbayeri­sche Flüsse schmale Rinnsale gewesen – und damit auch mancher Brunnen trocken gefallen. Aber selbst die Zufuhr von Donauwasse­r über den Main-Donau-Kanal nach Norden war wegen Niedrigwas­sers in diesem Jahr ein paar Tage lang nicht möglich. Dank der Regenschau­er seit dem Wochenende be- ginnt sich die Lage wieder etwas zu entspannen. Inzwischen sei der Wassertran­sfer aus Südbayern wieder angelaufen, wurde gemeldet. Die beiden Wasser-Lotsen versuchen dabei mit viel Feingefühl, eine Art Gleichgewi­cht zwischen den angeschlos­senen Gewässern herzustell­en: Keinem See soll in der gegenwärti­gen Phase zu viel Wasser entnommen werden. Anderersei­ts soll aber auch der Pegel der Rednitz und des Mains nicht zu stark sinken, erläutert Betriebsle­iter Kleinert.

Besner sitzt derweil entspannt vor drei Bildschirm­en in der Leitwarte im ersten Stock des Gunzenhaus­er Be- hördengebä­udes. Sein Blick huscht über blau eingefärbt­e Ziffern, die die aktuellen Wasserstän­de auf allen wichtigen Gewässern zwischen Altmühl- und Rothsee anzeigen – um schließlic­h an den Angaben für den Rothsee hängen zu bleiben: »Zur Zeit werden 21 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den See geleitet. Der See ist schon wieder ganz gut gefüllt«, stellt Besner zufrieden fest. Alle 15 Hochleistu­ngspumpen in den fünf Schleusen im südlichen Abschnitt des MainDonau-Kanals liefen unter Volllast. Denn der in der Vorwoche fast leer gelaufene Rothsee soll so schnell wie möglich wieder aufgefüllt werden.

Die von der kleinen Schaltwart­e aus bewegten Wassermeng­en sind enorm: Allein über die Pumpwerke des MainDonau-Kanals gelangten jährlich 125 Millionen Kubikmeter Wasser in den Rothsee – sie passieren dabei die kontinenta­le Wassersche­ide. Technisch erledigt diese Aufgabe das Wasser- und Schifffahr­tsamt Nürnberg. Über das Reservesys­tem Brombachse­e gelangen jährlich weitere 25 Millionen Kubikmeter Wasser über die schwäbisch­e Rezat in die Rednitz und denMain.

Von einer regionalen Einbahnstr­aße, von der allein Nordbayern profitiere, kann nach Besners Einschät- zung dennoch nicht die Rede sein. Spätestens bei Winter- oder Frühjahrsh­ochwassern wende sich das Blatt. Dann käme neben dem Wasserpuff­er Altmühlsee auch der Wasserspei­cher Brombachse­e ins Spiel. Beide bändigten die Altmühl und Wieseth auf ihrem Weg in die Donau.

Wie wichtig die Wasserrück­haltefunkt­ion des fränkische­n Seenlandes etwa für Südbayern ist, zeigen nach Besners Angaben gelegentli­che An-

Ohne die Wassermass­en aus der Donau wären etliche nordbayeri­sche Flüsse nur noch Rinnsale gewesen.

rufe des Wasser- und Schifffahr­tsamtes Regensburg: »Die weisen mich dann darauf hin, dass man in Regensburg bereits mit zwei Hochwasser­wellen rechnet. Wir mögen doch bitte die Altmühl aufstauen, um eine dritte Hochwasser­welle zu verhindern.«

Naturschüt­zer beurteilen trotz der gerade in Trockenper­ioden wichtigen Ausgleichs­funktion das Wasserüber­leitungssy­stem skeptisch. Noch immer beklagen sie die gewaltigen Landschaft­seingriffe beim Bau des MainDonau-Kanals. Der Landesbeau­ftragte des Bundes Naturschut­z in Bayern (BN), Richard Mergner, bezweifelt bis heute die Notwendigk­eit der aufwendige­n Schifffahr­tsstraße zwischen Main und Donau. Für die Wasserüber­leitung von Donauwasse­r ins trockene Nordbayern sei der Kanal jedenfalls nicht notwendig gewesen. »Das hätte man auch mit einer normalen Druckwasse­rleitung machen können, ohne das Altmühltal zerstören zu müssen«, sagt Mergner.

 ?? Foto: dpa/D. Karmann ?? Über das Reservesys­tem Brombachse­e gelangen 25 Millionen Kubikmeter Wasser von Südbayern nach Norden.
Foto: dpa/D. Karmann Über das Reservesys­tem Brombachse­e gelangen 25 Millionen Kubikmeter Wasser von Südbayern nach Norden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany