Russland lehrt Hamburg das Fürchten
Der Hafen an der Elbe verliert gegenüber dem Konkurrenten Rotterdam
Lange profitierte Deutschlands »Tor zur Welt« vom Aufschwung im Osten. Zuletzt brach der Umschlag im Hamburger Hafen ein, auch durch ein Minus im Außenhandel mit Russland.
Schlechte Nachrichten verkauften sich nicht so erfolgreich wie die guten in den vergangenen Jahren, bedauert Ingo Egloff als Vorstand des Hamburger Hafens. Der Optimismus, der noch die jüngsten Bilanzpressekonferenzen beschwingte, scheint nach dem ersten Halbjahr verflogen. 2015 dürften statt der erhofften zehn Millionen Stahlboxen nur neun Millionen umgeschlagen werden. Das schlechte Ergebnis überrascht, weil deutsche Unternehmen dank des schwachen Euros vor allem im Export glänzen.
Egloff, seit 2014 Vorstand der Hafen Hamburg Marketing (HHM), redet selten um den heißen Brei herum. Lange profitierte der größte deutsche Containerhafen vom wirtschaftlichen Boom in China sowie vom Aufschwung Russlands. Jetzt schlage das Pendel um. Russland sehen Hamburgs Hafenmanager neben China als entscheidenden »Kernmarkt« an.
Zwar wissen auch sie um die Schwankungen im Seeverkehr – wohl nur wenige Branchen sind dermaßen »volatil«. Doch die jüngsten RusslandZahlen dürften selbst alten Fahrensleuten wie Egloff einen Schrecken eingejagt haben. Der Containerumschlag ging in den ersten sechs Monaten um rund sieben Prozent auf 4,5 Millionen Standardcontainer (TEU) zurück. Dieses Minus ist vor allem mit dem schwachen Außenhandel der beiden führenden Handelspartner zu erklären: Der Containerverkehr mit China ging um knapp elf Prozent zurück, der mit Russland brach sogar um ganze 35,9 Prozent ein.
Der frühere SPD-Landesvorsitzende Egloff kennt dafür viele Gründe. Infolge der Sanktionen, welche die Vereinigten Staaten und die Europäische Union verhängt haben, kriegten russische Unternehmen kaum noch langfristige Kredite, um zu investieren. Der Einbruch des Rubelkurses verteuere die Waren drastisch, die bislang vor allem nach St. Petersburg verschifft wurden. Dort unterhält der Hamburger Hafen eine eigene Repräsentanz. Teilweise seien in Russland Produktionsanlagen stillgelegt worden. So habe der amerikanische Automobilhersteller General Motors drei Werke wegen fehlender Nachfrage geschlossen – die Motoren kamen aus Westeuropa. Zudem hänge Präsident Putins Staatshaushalt am Tropf des Erdöls.
Doch dessen Preis steuert infolge des Überangebots auf einen neuen Tiefstand zu. Der seit einem Jahr andauernde Preisverfall erschwert Moskau, seinen öffentlichen Aufgaben nachzukommen. So ist auch der Im- port von Medizintechnik via Hamburg deutlich zurückgegangen.
Andere Ostseehäfen schwächeln ebenfalls, etwa in Polen und Finnland. Die Spezialität des Hamburger Hafens ist seit dem Fall der Grenzen wieder der Verkehr mit dem Ostseeraum. Megafrachter aus China, Südostasien und Amerika laden in Hamburg ihre globale Fracht ab. Hier wird sie auf »Feeder« verladen. Diese kleineren Schiffe nehmen die kurze Route durch den Nordostseekanal, die meist befahrene künstliche Wasserstraße der Welt, und laufen die Häfen mit geringerem Tiefgang an.
Gleichwohl hat der Rubel-Fall eine Kehrseite: Russische Kohle ist jetzt extrem billig und besonders begehrt. Daher wird das im Februar ans Netz gegangene, am Hafenrand gelegene Vattenfall-Kraftwerk Moorburg bis auf weiteres vor allem mit Kohle aus dem jungen russischen Ostseehafen UstLuga befeuert. Aber dieses Plus beim Massengut kann das Minus bei Containern bei weitem nicht ausgleichen.
Eigene Möglichkeiten gegenzusteuern, sehen die Hafenmanager kaum. Schließlich sei Hamburg lediglich die »Schnittstelle in der Mitte« zwischen Asien und Osteuropa. Das Minus im Russland-Verkehr spiegelt sich daher auch in der Bilanz mit Asien negativ wider. Die Konkurrenz in Antwerpen (knapp fünf Millionen TEU) und Rotterdam (gut sechs Millionen) zog nun davon. Beide Häfen beliefern vor allem Westeuropa und das Ruhrgebiet. Rotterdam soll bereits bei der Bundesregierung in Berlin Druck machen, um im geplanten Bundesverkehrswegeplan stärker berücksichtigt zu werden.