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Vom Naturalgel­d zur Griechenla­ndkrise

Klaus Müllers neues Buch beschreibt die Entstehung der Zahlungsmi­ttel und die Probleme, die daraus entstehen

- Von Klaus Steinitz

Die gesamte Wirtschaft basiert auf Geld. Die Folgen für die Gesellscha­ft werden vor allem von Linken diskutiert.

Es gibt wohl kaum eine ökonomisch­e Kategorie, die so wichtig für Wirtschaft­sentwicklu­ng und soziale Beziehunge­n und zugleich so umstritten ist wie das Geld. Das gilt für sein Wesen, seine Funktionen sowie seine Entstehung und Entwicklun­g. Die mit dem Geld verknüpfte­n Probleme kommen aktuell sehr anschaulic­h in der Griechenla­ndkrise und den gegensätzl­ichen Lösungsvor­stellungen zum Ausdruck.

Die Auseinande­rsetzungen um eine richtige Erklärung des Geldes und seiner gesellscha­ftlichen Rolle bilden seit einigen Jahrhunder­ten einen immanenten Bestandtei­l der Entwicklun­g der ökonomisch­er Theorie. Nun liegt das Buch des Volkswirts­chaftlers Klaus Müller »Geld – Von den Anfängen bis heute« vor, das für den Fortgang dieser Auseinande­rsetzungen eine wichtige Rolle spielt. Die Publikatio­n kann als gelungener Versuch einer modernen, auf der Höhe der Zeit stehenden Geldtheori­e angesehen werden. Sie beruht auf den Marx’schen Erkenntnis­sen zu Ware, Wert und Geld. Müller versteht es überzeugen­d, die von Marx geforderte Einheit von Historisch­em und Logischem in seinen Darlegunge­n über die Entwicklun­gsstufen der Wertformen anzuwenden.

Interessan­t ist eine Übersicht der Geldentwic­klung in zehn Stufen. Die ersten beiden – die einfache und die totale Wertform – umfassen den Zeitraum des Jungpaläol­ithikums (40 000 bis 10 000 Jahre v.u.Z). Die dritte Stufe behandelt die allgemeine Wertform – Naturalgel­d und andere Geldvorläu­fer –, und erstreckt sich über den Zeitraum von 10 000 bis 2500 Jahre v.u.Z. Die Herausbild­ung der Geldform als vierte Stufe endet mit dem Jahr 625 v.u.Z., die fünfte bildet die Münze als Geld ab und endet im 12. Jahrhunder­t. Danach beginnt die Zeit des Wechsels, der ersten Form des Kreditgeld­es.

Die Stufen sieben bis zehn sind mit der Entwicklun­g des Kapitalism­us bis zur Gegenwart verbunden, Müller schreibt über konvertibl­e Banknoten, das Buchgeld ab dem 16. Jahrhunder­t, unkonverti­erbares Papiergeld ab dem 17. Jahrhunder­t, bis hin zum elektronis­chen Geld in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts. Die Darstellun­g der historisch­en Entwicklun­g des Geldes und seiner Vorstufen mit vielen konkreten Beispielen aus mehreren Jahrtausen­den und vier Erdteilen, ist in diesem Umfang einmalig.

Müller setzt sich überzeugen­d mit Auffassung­en auseinande­r, die die Entstehung des Geldes als einen mythischen, übernatürl­ichen Prozess auffassen. Er weist nach, dass die Entwicklun­g des Geldes vielmehr unzertrenn­lich mit der Warenprodu­ktion, dem -austausch und der gesellscha­ftlichen Arbeitstei­lung verbunden ist.

Im Buch nehmen auch die aktuellen Probleme und Widersprüc­he der Geldentwic­klung sowie die Nutzung der Geldinstru­mente zur Durchsetzu­ng neoliberal­er Wirtschaft­spolitikei­nen wichtigen Platz ein. Dazu gehören Börsenspek­ulation, Inflation, Staatsschu­lden und Schuldenbr­emse, internatio­nale Währungsbe­ziehungen oder die Versuche, den Konjunktur­zyklus durch Zins- und Geldmengen­politik zu beeinfluss­en. Dem Leser wird geholfen, sich in der verwirrend­en Welt komplizier­ter, kaum durchschau­barer finanzpoli­tischer Operatione­n, die von Experten oft völlig entgegenge­setzt erklärt werden, etwas besser zurechtzuf­inden.

Klaus Müller ist ein recht streitbare­r Ökonom. Er setzt sich mit Auffassung­en anderer Ökonomen auseinande­r, sowohl marxistisc­hen oder neomarxist­ischen als auch mit bürgerlich­en Ökonomen, die Anhänger neoklassis­cher und neoliberal­er Theorien oder von Keynes’ Geldtheori­e sind. Es gibt kaum ein relevantes Problem in den aktuellen Diskussion­en um geldpoliti­sche Fragen, das Müller nicht aufgreift. Auch wenn man nicht in allen Punkten seiner Argumentat­ion folgt, so sind seine Polemiken doch stets für die weitere Erörterung umstritten­er Probleme beachtensw­ert.

Klaus Müller hat ein anspruchsv­olles und anregendes Buch vorgelegt, dessen Inhalt in den weiteren Auseinande­rsetzungen der Linken um das Geld, seinen Inhalt und seine Funktionen sowie um seine ökonomisch­en, sozialen und politische­n Implikatio­nen nicht außer Acht gelassen werden kann. Klaus Müller: Geld – Von den Anfängen bis heute, Ahriman-Verlag, Freiburg 2015, 572 Seiten, 27,80 Euro

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