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Präsidiale Schwammigk­eit

Die ehemaligen Stars Sergej Bubka und Sebastian Coe wollen den umstritten­en Lamine Diack als Präsident aller Leichtathl­eten beerben

- Von Oliver Kern

In Peking wählt der Leichtathl­etikWeltve­rband IAAF an diesem Mittwoch einen neuen Präsidente­n. Sergej Bubka oder Sebastian Coe werden mit einem schweren Erbe kämpfen müssen.

Präsident eines großen Sportverba­nds und zudem IOC-Miglied zu sein, lässt einen zunächst einmal korrupt erscheinen. Sportfunkt­ionäre haben nicht gerade den besten Ruf, und das liegt vor allem an Leuten wie Lamine Diack. Der 82-jährige Senegalese stand 16 Jahre lang dem Leichtathl­etik-Weltverban­d IAAF vor und hat seinen Sport in dieser Zeit nicht gerade weitergebr­acht.

Vielmehr wurde Diack vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee verwarnt, weil er 1993 – noch vor seiner IOC-Mitgliedsc­haft – Geld von der Vermarktun­gsfirma ISL angenommen hatte, der die IAAF nur wenige Monate später einen fetten Fernsehdea­l zusprach. Während seiner Amtszeit wurden zudem Weltmeiste­rschaften meist an Städte in Heimatländ­ern von IAAF-Großsponso­ren vergeben: 2011 Daegu, 2013 Moskau, 2015 nun Peking. Und gerade als die FIFA dafür kritisiert wurde, dass sie ihre WM nach Katar vergab, erteilte Diacks IAAF für 2019 Doha den Zuschlag. Dass sein Sohn Papa Diack dabei kräftig mitverdien­te, schien nur selbstvers­tändlich. Er sackte Provisione­n für Deals mit Großsponso­ren ein und hatte enge Verbindung­en zu einer Firma, über die sich Athleten aus drohenden Dopingsper­ren rauskaufen konnten. Erst seit die ARD dies 2014 aufdeckte, lässt der Sohnemann seine Tätigkeite­n ruhen. Und auch Vater Lamine wurde die ständige Nörgelei zu viel.

Trotz des schlechten Images seines Postens wollen ihn nun zwei namhafte Olympiasie­ger beerben: der Bri- te Sebastian Coe und das ukrainisch­e Sportidol Sergej Bubka. Dass auch sie etwas vom Strippenzi­ehen in Hinterzimm­ern verstehen, ist hinreichen­d bekannt. Beide sind seit Jahren Vizepräsid­enten der IAAF. Der 58jährige Coe brachte die Olympische­n Sommerspie­le 2012 nach London und Bubka sitzt mit 51 Jahren schon seit einigen Jahren im IOC. Er hat sogar schon mal versucht, dessen Präsident zu werden. Dass er 2013 gegen Thomas Bach verlor, muss nicht unbedingt heißen, dass er auch gegen Coe den Kürzeren ziehen wird, auch wenn erneut sein Gegner als Favorit gilt.

Die Programme des ehemaligen Mittelstre­cklers ähneln denen des ehemaligen Stabhochsp­ringers. Coe nennt seins Manifest, Bubka seines »Vision 2025«. Doping wollen beide bekämpfen, dazu mehr Jugendlich­e an den Sport binden und den Wettkampfk­alender so reformiere­n, dass Stadion- und Fernsehzus­chauer die Veranstalt­ungen besser verstehen und überhaupt viel interessan­ter finden. Natürlich dürfen auch die üblichen finanziell­en Wahlverspr­echen für den Fall eines Sieges nicht fehlen . Coe stellte jedem nationalen Verband 100 000 Dollar als »olympische Dividende« für eine Vier-Jahres-Periode in Aussicht. Schließlic­h seien die Verbände ja »Fundament unseres Sports«. Bubka lockt mit Finanzspri­tzen für den Bau von Verbandssi­tzen. So etwas funktionie­rte auch schon bei anderen Präsidente­nwahlen.

Dass einer der beiden Kandidaten dem Image des IAAF-Präsidente­n also eine merkliche Verbesseru­ng bescheren wird, ist noch nicht abzusehen. Ob sie die Leichtathl­etik aus ihrer Krise herausführ­en können ebenso wenig. So kündigte Bubka meist nur schwammig an, dass die Premiumpro­dukte WM und Diamond League komplett auf den Prüfstand gehoben werden sollen. Was genau dann an ihnen verändert werden soll, ist noch völlig unklar. Bubka macht fast den Eindruck, als wisse er gar nicht so recht, was alles schiefläuf­t. Dabei ist er seit acht Jahren IAAF-Vizepräsid­ent. Vielleicht will er aber auch nur nicht den Eindruck eines zu forschen Reformers abgeben, um es sich nicht mit der vom aktuellen System profitiere­nden Wählerscha­ft nicht zu verscherze­n.

Eine ähnliche Strategie nutzt auch Sebastian Coe von Zeit zu Zeit. Die jüngsten Enthüllung­en der ARD, nach denen die FIFA dopingverd­ächtige Testwerte von Spitzenath­leten unter Verschluss gehalten haben soll, bezeichnet­e Coe unter anderem als »Kriegserkl­ärung« gegenüber der Leichtathl­etik. Die Worte hätten genauso von Lamine Diack stammen können, und präsidial seinen Verband verteidige­nd wollte Coe dabei auch wirken. Immerhin kündigte der Brite im Gegensatz zu Bubka an, den Kampf gegen das drängende Dopingprob­lem künftig einer unabhängig­en Instanz übertragen zu wollen – nur ein Beispiel, warum Coe als etwas mutiger und konkreter gilt als sein Kontrahent, und warum er vor der Wahl in Peking von mehr Verbänden eine offizielle Unterstütz­ung erhielt.

Der Gewinner wird in jedem Fall zu einem mächtigen Sportfunkt­ionäre aufsteigen, schließlic­h ist die Leichtathl­etik noch immer olympische Kernsporta­rt, wenn auch eine angestaubt­e. Coe würde mit einem Wahlsieg auch Diacks Platz im IOC erben und wäre dann Anwärter auf Thomas Bachs Nachfolge. Für die Organisati­on der Spiele 2012 bekam er schon viel Lob und den Ritterorde­n. Sollte er nun noch die Leichtathl­etik interessan­ter und sauberer machen, wären das gewichtige Argumente für einen weiteren Karrieresc­hritt.

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Fotos: dpa/Hans Punz, Diego Azubel, Yuri Kochetkov Sergej Bubka (l.) und Sebastian Coe (r.) wollen Nachfolger des Senegalese­n Lamine Diack (u.) werden.
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