Griechenland wählt am 20. September
Interimsregierung vereidigt
Athen. Die vorgezogene Parlamentswahl in Griechenland soll laut Staatsmedien am 20. September stattfinden. Präsident Prokopis Pavlopoulos habe am Freitag ein entsprechendes Dekret unterzeichnet, meldete die Nachrichtenagentur ANA. Mit demselben Dekret wurde das Parlament formal aufgelöst, die neu gewählten Volksvertreter sollen nun am 1. Oktober wieder zusammenkommen.
Bis dahin lenkt die griechische Interimsregierungschefin Vasiliki Thanou die Geschicke des Landes. Sie hat inzwischen ihren Übergangsministerrat zusammengerufen. Das Finanzressort übernahm der langjährige Unterhändler in den Verhandlungen mit den Gläubigern, Giorgos Chouliarakis. Er war auch als Fachmann bei den Kreditverhandlungen dabei und soll das Vertrauen der GeldgeberExperten genießen. Außenminister wird der altgediente Diplomat Petros Molyviatis (87).
Die Bildung der Übergangsregierung wurde nötig, nachdem Alexis Tsipras am Freitag vor einer Woche zurückgetreten war und in den Reihen des bestehenden Parlaments keine andere Regierungsmehrheit zustande kam. Tsipras läutete in einem Beitrag für die SYRIZA-nahe Zeitung »Avgi« den Wahlkampf ein. Das griechische Volk werde ein »starkes Mandat für die Gegenwart und die Zukunft« geben, schrieb er. Hellas werde nicht zurückblicken, sondern »nur nach vorn gehen«.
Einer neuen Umfrage zufolge liegt Tsipras’ Partei in der Wählergunst in Führung. Wie die Befragung des Instituts ProRata für die Zeitung »Efimerida ton Syntakton« ergab, würden 23 Prozent der Wähler für SYRIZA und 19,5 Prozent für die konservative Nea Dimokratia stimmen. Die neu gegründete Volkseinheit, die aus linken SYRIZA-Abspaltern zusammengesetzt ist, würde derzeit auf 3,5 Prozent der Stimmen kommen und damit die Hürde von drei Prozent schaffen.
»Unser Land verträgt keine Sparmaßnahmen mehr, falls nötig, müssen wir aus der Eurozone austreten.«
Panagiotis Lafazanis
Im Ausland wurde er erst als Minister für Energie, Umwelt und wirtschaftlichen Wiederaufbau bekannt, in Griechenland ist er politisch Interessierten seit Jahrzehnten ein Begriff: Der 1951 geborene Panagiotis Lafazanis gehört spätestens seit den Achtzigern zu den Persönlichkeiten, die die linke Politik im politisch oft turbulenten Mittelmeerstaat beeinflusst haben. Seine Laufbahn begann der studierte Mathematiker in der Jugendorganisation KNE der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) – genau wie sein jetziger Gegenspieler Alexis Tsipras, nur natürlich Jahre vor dem gerade einmal 41-Jährigen SYRIZA-Vorsitzenden.
Beim Eintritt von Lafazanis in die KNE 1971, inmitten der Militärdiktatur (1967-1974), waren die Partei und die Jugendorganisation der Kommunisten noch illegal. Für seine Teilnahme am Widerstand, konkret an der Besetzung der Athener Hochschule für Jura im März 1973, kassierte der junge Lafazanis sogar eine Gefängnisstrafe. Das hinderte ihn aber keineswegs daran, seine Zukunft ziemlich ausschließlich Politik und Partei zu widmen.
Der aus Elefsina unweit von Athen stammende Kommunist erarbeitete sich rasch einen Platz im Zentrum der Entscheidungsträger. Zusammen mit Mimis Androulakis (später PASOK) und Alekos Alavanos baute Lafazanis das erste Pressebüro der KKE auf. Alle drei gehörten zu den engsten Vertrauten des legendären Parteichefs Harilaos Florakis. Der hatte als »Kapitän Giotis« im Zweiten Weltkrieg gegen die deutschen Nazibesetzer gekämpft und führte die Partei in ihre ersten Jahre als legale Partei in einer bürgerlichen Demokratie.
Als Florakis Ende der 80er den historischen Vorläufer von SYRIZA, die »Allianz der Linken und des Fortschritts«, kurz Synaspismos oder SYN genannt, mitbegründete, saß Lafazanis im Politbüro der KKE. In den turbulenten Jahren des Zusammenbruchs der UdSSR verließ auch er die Kommunisten und fand seine neue politische Heimat in Synaspismos.
Mit der zog Lafazanis bei der Wahl im April 2000 erstmals als Abgeordneter des Wahlkreises der Umgebung von Piräus ins Parlament ein. Ganze sechs der 300 Abgeordneten stellte die neue Partei damals. Der überzeugte Linke konnte sein Direktmandat in wechselnden Wahlkreisen in allen folgenden Abstimmungen bis heute halten – unabhängig davon, ob die von Synaspismos 2004 zusammen mit einer Reihe anderer linker Organisationen gegründete Allianz SYRIZA drohte, an der Drei-ProzentHürde zu scheitern, oder sich an- schickte, die Regierung zu übernehmen. Nach dem mit 26,9 Prozent nur knapp verfehlten Wahlsieg im Sommer 2012 wurde Lafazanis von den 71 SYRIZA-Abgeordneten zum Fraktionssprecher gewählt.
Als Alekos Alavanos 2004 den Vorsitz von Synaspismos übernahm, galt Lafazanis als Nummer zwei der Partei. Der von ihm angeführten Fraktion »Linke Strömung« gehörte auch der ebenfalls Anfang der 90er Jahre von der KNE zur Synaspismos-Jugend gewechselte Alexis Tsipras an. Es war Tsipras und nicht Lafazanis, der 2008 von Alavanos als Nachfolger vorgeschlagen und vom Parteitag mit mehr als 70 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden von Synaspismos, der stärksten Kraft in der 2004 gegründeten SYRIZA, gekürt wurde.
Die Rolle des ewigen Zweiten ist sicher prägend für den Politik- und Arbeitsstil des Vollblutpolitikers mit über 40 Jahren Erfahrung im parteipolitischen Ränkespiel. Im Gegensatz zu Tsipras fehlt ihm in seiner neuen Rolle als Parteichef der »Volkseinheit« (LAE) sicher das Charisma, um die Massen mit sprühenden Reden zu Beifallsstürmen hinzureißen. Dafür aber zeichnen ihn kluges, analytisches Denken, Geduld und Beharrlichkeit und ein beinahe übermenschlicher Arbeitseifer aus.
Im Gegensatz zu Alavanos, der SYRIZA bereits 2011 verließ, kämpfte Lafazanis bis zuletzt dafür, die griechische Linkspartei von der Aufgabe ihrer ursprünglichen Positionen abzuhalten. Der LAE-Vorsitzende und Alavanos, der in der Zwischenzeit die Formation »Plan B« ins Leben gerufen hat, werden bei den Wahlen am 20. September erneut vereint antreten. Bereits zu gemeinsamen SYRIZA-Zeiten hatte sie das Werben für eine Alternative für Griechenland jenseits der europäischen Gemeinschaftswährung verbunden. Lafazanis bekräftigte bei seinem Nein zum dritten Kreditprogramm, dass er eine Rückkehr zur Drachme nicht ausschließt: »Unser Land verträgt keine Sparmaßnahmen mehr, falls nötig, müssen wir aus der Eurozone austreten.«
Nachtragend war der Chef der neuen »Volkseinheit« übrigens nie. Das zeigt sowohl seine Allianz mit Alavanos als auch sein Verhältnis zur KKE, über die er trotz übler Anfeindungen seiner ehemaligen Genossen nie ein böses Wort verliert. Im Gegenteil: Trotz unzähliger Körbe seitens der Kommunisten wirbt er beharrlich für eine Zusammenarbeit der beiden linken Parteien, die sich weigern, sozialistische Utopien in das Reich der Märchenwelt zu verlagern.