Zu viel Transparenz ist unerwünscht
Das zehnstufige Meldesystem für die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten verschleiert große Einkommen
Während die Großverdiener einen Teil ihrer Einnahmen nicht melden müssen, ist es um Transparenz bemühten Abgeordneten untersagt, ihre Einkünfte auf der Bundestagswebseite offenzulegen.
Viele Bundestagsabgeordnete gehen neben ihrem Mandat auch Nebentätigkeiten nach. Oft sind die Engagements ehrenamtlicher Natur. Doch es gibt Parlamentarier, die dabei viel Geld verdienen. Der mittlerweile ausgeschiedene CSU-Parlamentarier Peter Gauweiler etwa brachte es zwischen Oktober 2013 und August 2014 auf über eine Million Euro extra.
Lange Zeit agierten die parlamentarischen Besserverdiener in einer Grauzone. Erst 2005 verabschiedete die damalige rot-grüne Bundestagsmehrheit ein pauschaliertes Meldesystem, das drei Stufen hatte, deren oberste allerdings bei bei 7000 Euro endete. Alles, was die Abgeordneten darüber hinaus verdienten, blieb im Dunkeln. Erst die Diskussionen um die Nebeneinkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hatten das Parlament 2013 dazu bewogen, ein neues Zehnstufen-Modell auf den Weg zu bringen. Doch auch dieses stößt an seine Grenzen, etwa beim Unionsabgeordneten Heinz Riesenhuber. Der ehemalige Bundesforschungsminister berät gleich sechs verschiedene Unternehmen, darunter die Kabel Deutschland AG und die HBM Healthcare Investments AG aus der Schweiz. Den Verhaltensregeln des Bundestags gemäß hat Riesenhuber die daraus resultierenden Einkünfte auf seiner Bundestagswebseite aufgelistet: Von Kabel Deutschland erhält er als Berater ein jährliches Gehalt der Stufe 4. Für den Laien ist nicht ersichtlich, wofür die vier steht. Wer mehr wissen will, muss suchen. Ganz unten auf der Bundestagsseite, im Kleingedruckten, findet sich ein Link: »Hinweise zur Veröffentlichung der Angaben nach den Verhaltensregeln«. Wer hier klickt, der landet auf einem Dokument, das eine Auflistung enthält, aus der ersichtlich wird, bis zu welchem Geldbetrag die einzelnen Meldestufen gelten. Stufe 4, so ist dort zu lesen, steht für Einkünfte bis 30 000 Euro im Jahr. Da Stufe 3 bis 15 000 Euro geht, dürfte Riesenhuber bei Kabel Deutschland zwischen 15 000 und 30 000 Euro verdienen. Das sind Pea-
Pressestelle der Bundestagsverwaltung
nuts im Vergleich zu seinem Job bei Healthcare Investments, der ihm Einnahmen der höchsten Stufe 10 beschert. Stufe 10 steht für Einkünfte von über 250 000 Euro. Doch wie weit über der Grenze liegt der »Vizepräsident des Verwaltungsrates« Riesenhuber? Recherchen des Portals Abgeordnetenwatch haben nun ergeben, dass der CDU-Politiker »mehr als das Doppelte kassiert«. Laut Geschäftsbe- richt des Schweizer Unternehmens soll Riesenhuber rund 575 000 Euro erhalten haben, so Abgeordnetenwatch. Doch der Ex-Minister ist nicht der einzige Großverdiener: Insgesamt sechs Abgeordnete haben in dieser Legislaturperiode bereits Einnahmen der Stufe 10 gemeldet. Abgeordnetenwatch schätzt die Gesamtsumme der so verschleierten Bezüge auf zehn Millionen Euro.
Während das Erfassungssystem die Einnahmen der Großverdiener verschleiert, verhindert es gleichzeitig freiwillige Transparenz. So dürfen etwa Abgeordnete der LINKEN auf ihrer Bundestagspräsenz ihre Einnahmen nicht auf den Cent genau dokumentieren, wie das Büro der Parlamentarischen Geschäftsführerin Petra Sitte dem »nd« bestätigte. Die Bundestagsverwaltung verweist auf Paragraf 3 der Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestages. Dort sei die Form der Angaben in zehn Stufen verbindlich vorgeschrieben. »Bei diesen amtlichen Angaben sind weitere individuelle Angaben also nicht möglich«, betonte ein Sprecher der Ver- waltung gegenüber »nd« am Freitag. Die Veröffentlichung der Einkünfte auf den persönlichen Homepages der Abgeordneten liege hingegen in der »freien Entscheidung« der Parlamentarier, so der Sprecher weiter.
Einige Volksvertreter nahmen die Sache selbst in die Hand. So gibt es einen »Verhaltenskodex für Abgeordnete«, den die beiden Parlamentarier Marco Bülow (SPD) und Gerhard Schick (Grüne) ausgearbeitet haben. Der parteiübergreifende Kodex verpflichtet die Unterzeichner, »alle Nebenverdienste in ihrer exakten Höhe unter Nennung aller Auftraggeber in regelmäßigen Abständen offenzulegen«. Bislang haben 45 Abgeordnete das Papier unterschrieben, darunter viele von der LINKEN. Die Linksfraktion hatte 2013 auch einen Änderungsantrag eingebracht, die genaue Höhe der Einkünfte auf den Internetseiten des Bundestages zu veröffentlichen. Der Antrag scheiterte. Vielleicht wird noch nachgebessert. Die Rechtsstellungskommission des Bundestags will das System im kommenden Jahr evaluieren.
»Bei diesen amtlichen Angaben sind weitere individuelle Angaben also nicht möglich«.