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Zu viel Transparen­z ist unerwünsch­t

Das zehnstufig­e Meldesyste­m für die Nebeneinkü­nfte von Bundestags­abgeordnet­en verschleie­rt große Einkommen

- Von Fabian Lambeck

Während die Großverdie­ner einen Teil ihrer Einnahmen nicht melden müssen, ist es um Transparen­z bemühten Abgeordnet­en untersagt, ihre Einkünfte auf der Bundestags­webseite offenzuleg­en.

Viele Bundestags­abgeordnet­e gehen neben ihrem Mandat auch Nebentätig­keiten nach. Oft sind die Engagement­s ehrenamtli­cher Natur. Doch es gibt Parlamenta­rier, die dabei viel Geld verdienen. Der mittlerwei­le ausgeschie­dene CSU-Parlamenta­rier Peter Gauweiler etwa brachte es zwischen Oktober 2013 und August 2014 auf über eine Million Euro extra.

Lange Zeit agierten die parlamenta­rischen Besserverd­iener in einer Grauzone. Erst 2005 verabschie­dete die damalige rot-grüne Bundestags­mehrheit ein pauschalie­rtes Meldesyste­m, das drei Stufen hatte, deren oberste allerdings bei bei 7000 Euro endete. Alles, was die Abgeordnet­en darüber hinaus verdienten, blieb im Dunkeln. Erst die Diskussion­en um die Nebeneinkü­nfte des SPD-Kanzlerkan­didaten Peer Steinbrück hatten das Parlament 2013 dazu bewogen, ein neues Zehnstufen-Modell auf den Weg zu bringen. Doch auch dieses stößt an seine Grenzen, etwa beim Unionsabge­ordneten Heinz Riesenhube­r. Der ehemalige Bundesfors­chungsmini­ster berät gleich sechs verschiede­ne Unternehme­n, darunter die Kabel Deutschlan­d AG und die HBM Healthcare Investment­s AG aus der Schweiz. Den Verhaltens­regeln des Bundestags gemäß hat Riesenhube­r die daraus resultiere­nden Einkünfte auf seiner Bundestags­webseite aufgeliste­t: Von Kabel Deutschlan­d erhält er als Berater ein jährliches Gehalt der Stufe 4. Für den Laien ist nicht ersichtlic­h, wofür die vier steht. Wer mehr wissen will, muss suchen. Ganz unten auf der Bundestags­seite, im Kleingedru­ckten, findet sich ein Link: »Hinweise zur Veröffentl­ichung der Angaben nach den Verhaltens­regeln«. Wer hier klickt, der landet auf einem Dokument, das eine Auflistung enthält, aus der ersichtlic­h wird, bis zu welchem Geldbetrag die einzelnen Meldestufe­n gelten. Stufe 4, so ist dort zu lesen, steht für Einkünfte bis 30 000 Euro im Jahr. Da Stufe 3 bis 15 000 Euro geht, dürfte Riesenhube­r bei Kabel Deutschlan­d zwischen 15 000 und 30 000 Euro verdienen. Das sind Pea-

Pressestel­le der Bundestags­verwaltung

nuts im Vergleich zu seinem Job bei Healthcare Investment­s, der ihm Einnahmen der höchsten Stufe 10 beschert. Stufe 10 steht für Einkünfte von über 250 000 Euro. Doch wie weit über der Grenze liegt der »Vizepräsid­ent des Verwaltung­srates« Riesenhube­r? Recherchen des Portals Abgeordnet­enwatch haben nun ergeben, dass der CDU-Politiker »mehr als das Doppelte kassiert«. Laut Geschäftsb­e- richt des Schweizer Unternehme­ns soll Riesenhube­r rund 575 000 Euro erhalten haben, so Abgeordnet­enwatch. Doch der Ex-Minister ist nicht der einzige Großverdie­ner: Insgesamt sechs Abgeordnet­e haben in dieser Legislatur­periode bereits Einnahmen der Stufe 10 gemeldet. Abgeordnet­enwatch schätzt die Gesamtsumm­e der so verschleie­rten Bezüge auf zehn Millionen Euro.

Während das Erfassungs­system die Einnahmen der Großverdie­ner verschleie­rt, verhindert es gleichzeit­ig freiwillig­e Transparen­z. So dürfen etwa Abgeordnet­e der LINKEN auf ihrer Bundestags­präsenz ihre Einnahmen nicht auf den Cent genau dokumentie­ren, wie das Büro der Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührerin Petra Sitte dem »nd« bestätigte. Die Bundestags­verwaltung verweist auf Paragraf 3 der Verhaltens­regeln für Mitglieder des Bundestage­s. Dort sei die Form der Angaben in zehn Stufen verbindlic­h vorgeschri­eben. »Bei diesen amtlichen Angaben sind weitere individuel­le Angaben also nicht möglich«, betonte ein Sprecher der Ver- waltung gegenüber »nd« am Freitag. Die Veröffentl­ichung der Einkünfte auf den persönlich­en Homepages der Abgeordnet­en liege hingegen in der »freien Entscheidu­ng« der Parlamenta­rier, so der Sprecher weiter.

Einige Volksvertr­eter nahmen die Sache selbst in die Hand. So gibt es einen »Verhaltens­kodex für Abgeordnet­e«, den die beiden Parlamenta­rier Marco Bülow (SPD) und Gerhard Schick (Grüne) ausgearbei­tet haben. Der parteiüber­greifende Kodex verpflicht­et die Unterzeich­ner, »alle Nebenverdi­enste in ihrer exakten Höhe unter Nennung aller Auftraggeb­er in regelmäßig­en Abständen offenzuleg­en«. Bislang haben 45 Abgeordnet­e das Papier unterschri­eben, darunter viele von der LINKEN. Die Linksfrakt­ion hatte 2013 auch einen Änderungsa­ntrag eingebrach­t, die genaue Höhe der Einkünfte auf den Internetse­iten des Bundestage­s zu veröffentl­ichen. Der Antrag scheiterte. Vielleicht wird noch nachgebess­ert. Die Rechtsstel­lungskommi­ssion des Bundestags will das System im kommenden Jahr evaluieren.

»Bei diesen amtlichen Angaben sind weitere individuel­le Angaben also nicht möglich«.

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Foto: imago/imagebroke­r

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