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»Katrina« ist verweht, die Probleme bleiben

US-Präsident im wiederaufg­ebauten New Orleans / Mississipp­i-Stadt mit wachsenden sozialen Widersprüc­hen

- Von Max Böhnel, New York

Zehn Jahre nach dem Hurrikan «Katrina» lobte US-Präsident Obama in New Orleans den Wiederaufb­auwillen seiner Bewohner. Doch die Kluft zwischen Arm und Reich sowie Schwarz und Weiß bleibt.

New Orleans und die Ausdauer seiner Bürger sei ein Symbol für die Vereinigte­n Staaten, sagte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag (Ortszeit) bei einem Besuch in der größten Stadt im Bundesstaa­t Louisiana.

New Orleans war vor zehn Jahren infolge des Hurrikans mehrere Wochen lang überflutet worden. Den Wassermass­en fielen damals fast 2000 Afroamerik­aner, die von den Behörden im Stich gelassen worden waren, zum Opfer.

»Ihr seid ein Beispiel dafür, was möglich ist, wenn angesichts von Tra- gödie und Not gute Leute zusammenko­mmen, um beim Bau einer besseren Zukunft mit anzupacken«, erklärte Obama. Es gebe allerdings noch viel zu tun. »Nur weil die Häuser schön sind, ist unser Job noch lange nicht erledigt«, betonte der Präsident vor Einwohnern.

Für immer untergegan­gen, wie manche Medien damals bereits spekuliert­en, ist New Orleans nicht, aber zwischen Trümmerlan­dschaft und Boom hat die Industriem­etropole am Mississipp­i wie schon vor »Katrina« zwei Gesichter. Die sozialen Gegensätze sind schreiend.

Laut der US-Volkszählu­ngsbehörde hat New Orleans wieder 94 Prozent seines einstigen Besiedlung­sstandes erreicht. Mit Hilfe von 71 Milliarden Dollar, die die Obama-Regierung gegen den Widerstand der Republikan­er in den Neubau von Dämmen, Krankenhäu­sern und Schulen in den Großraum steckte, kam das Wirtschaft­sleben wieder in Gang.

Aber während einerseits im historisch­en French Quarter die Tourismusi­ndustrie boomt, sieht es eine Viertelstu­nde davon entfernt nach wie vor katastroph­al aus. Im ehemaligen schwarzen Arbeitervi­ertel Lower Ninth Ward, das komplett unter Wasser stand, wechseln sich Häuserruin­en ab mit brachen Grundstück­en, deren Gebäude abgerissen wurden. Die Infrastruk­tur ist hier auch noch völlig unzureiche­nd. Viele Menschen verloren damals alles und kamen nie wieder zurück. Etwa 100 000 Afroamerik­aner weniger hat die Stadt zehn Jahre danach.

Dagegen zieht New Orleans immer mehr Weiße mit Geld an. Die Gentrifizi­erung, die in den innerstädt­ischen Vierteln bereits gang und gäbe ist, wird sich laut Medienberi­chten auch im Lower Ninth Ward bemerkbar machen. Von einem geplanten Block von Eigentumsw­ohnungen, der die Eigentums- und Mietpreise in die Höhe treiben wird, befürchten die verblieben­en Bewohner die Verdrängun­g aus dem Viertel. Der (weiße) Boom der Grundstück­spreise geht auf die Ungleichbe­handlung bei der Verteilung von Wiederaufb­augeldern zurück. Denn da die Vergabe auf Werten vor »Katrina« beruhte, erhielten die ärmeren Afroamerik­aner weniger.

Dass New Orleans zwar wieder lebt, die soziale Kluft entlang der Hautfarbe aber verheerend ist, machen Umfragen deutlich. Übergroße Mehrheiten von Weißen meinen beispielsw­eise, dass sich die Stadt weitgehend wieder erholt habe. »Überhaupt nicht« sei das der Fall, sagen dagegen mehr als zwei Drittel der Afroamerik­aner. In puncto sozialer Ungleichhe­it in den USA rangiert New Orleans heute auf Platz zwei hinter Atlanta. Während die Einkommen von Schwarzen in der zurücklieg­enden Dekade nur leicht anstiegen, schossen die von Weißen um 35 Prozent nach oben. Die Kriminalit­ätsrate liegt über dem USA-Durchschni­tt. Aber immerhin: schweren Polizeiübe­rgriffen wie in anderen armen, schwarzen Vierteln der USA sind in New Orleans dank Reformen Grenzen gesetzt. Zudem wurde das neu gebaute Stadtgefän­gnis verkleiner­t.

Zehn Jahre nach »Katrina« bleibt neben den sozialen Problemen die Frage nach dem Schutz der Stadt vor weiteren Stürmen. Laut Berechnung­en kann das mit 14,5 Milliarden Dollar neu errichtete Damm- und Kanalsyste­m einem »Jahrhunder­tsturm« standhalte­n.

Aber da der Meeresspie­gel unweigerli­ch weiter steigen wird, bleibt die Schutzfrag­e ein Dauerprobl­em.

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Foto: AFP/Brendan Smialowski Tag des Dankes, des Jubels – und der Besinnung: Obama in New Orleans

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