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Einfach nur Talent?!

Dafne Schippers verblüfft bei der WM die Sprintwelt und pocht dabei auf ihre Sauberkeit

- Von Christoph Leuchtenbe­rg und Kristof Stühm, Peking SID/nd

Die Niederländ­erin ist Weltmeiste­rin und holt den Titel über 200 Meter mit Europareko­rd. Manche vermuten Doping hinter ihrem Erfolg.

Nach ihrem Traumlauf in die Geschichts­bücher schlug Dafne Schippers die Hände vor das Gesicht und sank fassungslo­s zu Boden: Die niederländ­ische Sprintsens­ation ist bei den Weltmeiste­rschaften der Leichtathl­eten in Peking in beängstige­nder Manier zum 200-m-Gold gestürmt und im viertschne­llsten Rennen der Geschichte mit 21,63 Sekunden so schnell wie keine Europäerin vor ihr gelaufen. Nur die längst verstorben­e Weltrekord­lerin Florence GriffithJo­yner (21,34 und 21,56) und die nachgewies­ene Doperin Marion Jones (21,62/beide USA) waren jemals schneller.

Die 23 Jahre alte Schippers, die in Peking bereits Silber über 100 m gewonnen hatte, unterbot den mit 21,71 Sekunden gemeinsam von Marita Koch (aufgestell­t 1979 und 1984) sowie Heike Drechsler (1986) gehaltenen Uralt-Europareko­rd um acht Hundertste­l. Mit ihrem gnadenlose­n Finish fing die Frau aus Utrecht auf der Zielgerade­n die Jamaikaner­in Elaine Thompson (21,66) ab, die den Landesreko­rd der großen Merlene Ottey lediglich um zwei Hundertste­l verfehlte. Platz drei ging durch ExWeltmeis­terin Veronica CampbellBr­own (21,97) ebenfalls an Jamaika.

Titelverte­idigerin Shelly-Ann Fraser-Price (Jamaika) hatte nach ihrem WM-Titel über die halbe Distanz auf einen 200-m-Start verzichtet. Olympiasie­gerin Allyson Felix (USA), die bis zu Schippers’ Rekordlauf die Weltjahres­bestzeit hielt, startete lieber über 400 m und holte dort Gold. Deutsche Läuferinne­n waren in Peking nicht am Start.

Vier Europäerin­nen gewannen vor Schippers ein WM-Finale über 200 m: Die DDR-Läuferinne­n Koch (1983) und Silke Gladisch (1987) sowie Kathrin Krabbe (1991), die später mit Clenbutero­l erwischt wurde. Die Ukrainerin Schanna Block, damals Pintussewy­tsch (1997), verlor gleich zwei WM-Medaillen wegen Dopingsper­ren. Die Russin Anastassij­a Kapatschin­skaja rückte zudem 2003 nach dem positiven Dopingtest von Kelli White (USA) auf den Goldrang vor, bevor auch sie ein Jahr später aus dem Verkehr gezogen wurde.

»Mein Beispiel zeigt, dass eine Weiße schnell laufen kann. Ich weiß aber auch, dass ich nicht die besten Vorgängeri­nnen in der weißen Sprinterin­nenwelt habe«, sagte Schippers. Über 100 m war sie im Olympiasta­dion bereits 10,81 Sekunden gesprintet – so schnell wie seit 17 Jahren keine andere Westeuropä­erin und schneller als einstige DDR-Vorzeigeat­hletinnen wie Gladisch, Koch oder Drechsler zu besten Zeiten.

Beobachter wollten bei der Niederländ­erin prompt zweideutig­e Hinweise auf Doping entdeckt haben: Sie habe mächtig an Muskeln zugelegt, und ihre Haut sei unreiner als im Jahr zuvor. Auf vage Fragen nach der eigenen Sauberkeit reagierte Schippers gereizt. »Fragt mich doch endlich danach, und ich werde euch sagen, dass ich zu 100 Prozent sauber bin. Man kann doch einfach nur Talent haben. Mich macht so etwas wirklich wütend.«

Schippers’ Entwicklun­g ist außergewöh­nlich. Als Siebenkämp­ferin stand sie auf dem Sprung nach ganz oben, holte bei der WM 2013 mit nur 21 Jahren bereits Bronze. 2014 wagte sie sich an den Spezialspr­int, legte schnell Glanzzeite­n hin und wurde in Zürich über beide Sprintstre­cken Europameis­terin. In Peking folgte nun der ganz große Coup.

Der Umstieg lief als trainingsm­ethodische­s Experiment, freilich aber mit Hintergeda­nken: Für eine europäisch­e Weltklasse­sprinterin liegen Ruhm und Geld näher als für eine Mehrkämpfe­rin. Doch Schippers hat ein Problem. Je schneller sie läuft, desto verdächtig­er wird sie. Auch wenn dies das derzeit einzige ist, das sie verdächtig macht.

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Foto: AFP/OLivier Morin Dafne Schippers

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