Im Land werden Fachkräfte rar
Jahresbericht belegt niedrige Durchschnittslöhne – zu wenige Betriebe bilden selbst aus
Brandenburgs Unternehmen haben immer größere Probleme, geeignetes Fachpersonal zu finden – zumal der Durchschnittsverdienst im Land sehr niedrig liegt.
Brandenburger ziehen beim Einkommen nicht nur gegenüber Westdeutschen den Kürzeren, sondern inzwischen auch gegenüber den Beschäftigten in den anderen neuen Bundesländern. In der gewerblichen Wirtschaft lag der monatliche Durchschnitts-Bruttolohn im Juni 2014 bei 2020 Euro, geht aus dem Jahresbericht zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung hervor, den Arbeitsministerin Diana Golze (LINKE) am Freitag präsentierte.
Im Schnitt der ostdeutschen Länder wurden dagegen zum gleichen Zeitpunkt 2100 Euro verdient und im Durchschnitt Westdeutschlands sogar 2530 Euro. Das steht im Widerspruch zu sonstigen offiziellen Angaben, wonach die Brandenburger ein verhältnismäßig gutes Einkommen haben. Erklärbar werden diese Abstände dadurch, dass viele Menschen in besser bezahlten Berliner Jobs arbeiten, in Brandenburg aber leben und Einkommenssteuern zahlen. Sie heben den Durchschnitt der Einkommen.
Der von Ministerin Golze vorgelegte Bericht – das IAB-Betriebspanel Brandenburg 2014 – befasst sich aber nur mit der Lage in brandenburgi- schen Unternehmen und der dortigen Lohnstruktur. 981 von ihnen waren befragt worden.
»25 Jahre nach der Wiedervereinigung sind wir von einer Lohnangleichung immer noch weit entfernt. Das kann man nicht mit den angeblich niedrigen Lebenshaltungskosen im Osten rechtfertigen, denn das trifft nicht zu. Hier sind vor allem die Tarifpartner gefragt«, sagte die Ministerin. Gleichzeitig bestätigte sie, dass mit einer Tarifbindungsquote von 24 Prozent nur rund die Hälfte der Brandenburger vom Flächentarif erfasst sind. Und selbst von denen würden viele über Hausverträge zu deutlich schlechteren Konditionen arbeiten als es der Tarifvertrag vorsieht.
Ermittelt wurde zudem, dass – hochgerechnet – 115 000 Beschäftigte vor einem Jahr noch mit weniger als dem gegenwärtig geltenden Mindestlohn auskommen mussten. Diana Golze erwartet, dass der 2015 eingeführte bundesweite Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde für bedeutende Teile der Belegschaften Verbesserungen erbracht hat.
Verschärft habe sich das Fachkräfteproblem, betonte die Arbeitsministerin. Rund 59 000 Stellenangebote habe es im ersten Halbjahr 2014 gegeben, rund 44 000 seien besetzt worden. Dabei sei aber jede vierte Stelle nicht rechtzeitig besetzt worden. »Damit wurden in Brandenburg sowohl bei der Zahl der Einstellungen als auch bei der Zahl der unbesetzten Stellen neue Höchstwerte erreicht«, so Golze
Erarbeitet worden war der Bericht durch das Institut für sozialökonomische Strukturanalysen. Als Ursachen für den Fachkräftemangel gab dessen Leiterin Vera Dahms an, dass Arbeitsstellen neu besetzt werden müssen, die durch Pensionierung frei geworden seien. Aber es würden sich auch zunehmend Menschen neue Arbeitsstellen suchen, weil die Lage auf dem Arbeitsmarkt dies erleichtere.
Die Ministerin mahnte, vor allem das Potenzial älterer Beschäftigter zu nutzen und ihnen altersgerechte Tätigkeitsfelder aber auch Qualifizierungsmöglichkeiten anzubieten. »Auch in der unfreiwilligen Teilzeitarbeit schlummert noch ein großes Fachkräftepotenzial. Wir wissen, dass rund 40 Prozent aller teilzeitbeschäftigten Frauen gerne länger arbeiten möchten, aber keine entsprechenden Angebote finden.«
Größere Anstrengungen mahnte Golze bei der Lehrlingsausbildung an – auch vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Schulabgänger sich faktisch halbiert habe. Das klinge zwar paradox, denn auf vier Lehrstellen kommen derzeit in Brandenburg drei Bewerber. Rund 55 Prozent der Betriebe im Land könnten ausbilden, doch nur 38 Prozent würden dies auch wirklich tun. Berufsausbildung sei aber eine wichtige Möglichkeit, Jugendliche in Brandenburg zu halten. Wenn junge Leute ihren Wunschberuf nicht im Lande erlernen können, »ist die Gefahr sehr groß, dass sie ihre Heimat verlassen«, gab die Ministerin zu bedenken. »Sie zurückzuholen, erfordert deutlich mehr Kraft und Anstrengung.«
Seit 1996 führt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gemeinsam mit dem Arbeitsministerium die repräsentative Arbeitgeberbefragung durch.