nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Rst

»Ich parshippe jetzt«, verkünden makellose Frauen und Männer von Werbeplaka­ten. Ringt hier ein Unternehme­n um die verbale Vormachtst­ellung auf seinem Geschäftsg­ebiet, vergleichb­ar mit »Brille: Fielmann«? Oder werden Menschen tatsächlic­h in absehbarer Zeit mit der gleichen Selbstvers­tändlichke­it »parshippen« wie »googeln« oder »twittern«? Und wenn ja, wie oft?

Was auf dem Markt der Online-Partnersch­aftsvermit­tlung passiert, ist längst schon nicht mehr vergleichb­ar mit dem verschämte­n Einreichen von Chiffre-Kontaktanz­eigen bei der Lokalzeitu­ng. Das Geschäft boomt: Parship meldete für 2014 einen Rekordumsa­tz von 60 Millionen Euro, was einem Plus von 30 Prozent entspricht. Wie die vormals größte Konkurrenz ElitePartn­er gehört das Unternehme­n seit dem Frühjahr einem britischen Investor.

Hat man sich bei einer Online-Vermittlun­g registrier­t, einen Mitgliedsb­eitrag gezahlt, der mit dem im Fitnessstu­dio mithalten kann, einen Fragebogen ausgefüllt oder sich in eigenen Worten angepriese­n, geht es auch schon los: Computerpr­ogramme suchen in Höchstgesc­hwindigkei­t aus vielen tausenden Kunden potenziell­e Traumpartn­er aus – »anonym, sicher, TÜV-geprüft«. Die Empfehlung eines Marktforsc­hungsinsti­tuts garantiert die Qualität der Dienstleis­tung, die Erfolgsquo­te die Quantität: »Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single...«. Auch wenn dabei nicht recht klar wird, wann die Liebe erwidert wird, scheint doch das Glück schon zum Greifen nah.

Noch wirken die Betreffend­en ein bisschen verlegen, wenn sie von Internetbe­kanntschaf­ten erzählen. Jemanden beim Sport oder auf einer Party kennengele­rnt zu haben, geht nach wie vor leichter über die Lippen. Aber das dürfte sich bald erledigt haben, ebenso wie die Beurteilun­g von außen, er oder sie habe es aus Verzweiflu­ng getan.

Diese Form der Kontaktanb­ahnung wird Dinge verändern. Anders als auf einer Party kann man ein besonders vorteilhaf­tes Foto für den ersten Eindruck vorschiebe­n – oder aber sich für die Variante ohne optischen Eindruck entscheide­n. Sollte Letzteres sogar den inneren Werten wieder zu mehr Bedeutung verhelfen? Wird die Zahl unfreiwill­iger Singles sinken, wenn das Internet die Möglichkei­t schafft, Partner zu finden, denen man sonst niemals begegnet wäre? Selbstrede­nd mehren sich bereits so genannte Studien, die behaupten, Paare, die sich über das Internet kennengele­rnt haben, seien glückliche­r oder blieben länger zusammen. Allerdings könnten die Auftraggeb­er zufälliger­weise Online-Partnerver­mittlungen sein. So funktionie­rt das nämlich im Kapitalism­us. Aber das erklären Ihnen die Volontärin­nen und Volontäre dieser Zeitung ausführlic­h in einer Serie, die in dieser Ausgabe auf Seite 32 beginnt. Viel Vergnügen beim Lesen!

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