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Die wollen doch arbeiten

Arbeitsmar­kt und Flüchtling­e brauchen sich: Bundesagen­tur versucht, Unternehme­n auf die Sprünge zu helfen

- Von Grit Gernhardt Die Broschüre findet sich unter dasND.de/integratio­n

SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert Arbeitsmar­ktprogramm­e für Flüchtling­e. Mit einer Broschüre versucht die Bundesagen­tur für Arbeit, Akzeptanz dafür zu schaffen.

»Die wollen doch gar nicht arbeiten!« Fremdenfei­ndliche Hetzparole­n wie diese sind nicht nur in den vergangene­n Wochen immer wieder zu hören. Dass sie inhaltlich falsch sind, spielt da keine Rolle: Viele Flüchtling­e leiden neben Kriegstrau­mata, der Sorge um Angehörige in der Heimat und den verbalen wie körperlich­en Angriffen hierzuland­e am meisten unter fehlenden Zukunftsau­ssichten. Sie wollen arbeiten, sich einbringen, Schule, Ausbildung oder Studium nicht umsonst abgeschlos­sen haben. Stattdesse­n müssen sie oft wochen- oder monatelang auf Entscheidu­ngen der Behörden warten. Die Unsicherhe­it über Asylstatus, Wohnort oder den Verbleib von Partnern lähmt. Zudem sind die Regelungen für eine Arbeitsauf- nahme komplizier­t, viele Betriebe schrecken davor zurück.

Um ihnen die Scheu zu nehmen, haben die Bundesagen­tur für Arbeit (BA), die Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA) sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) eine gemeinsame Handreichu­ng für Unternehme­n erarbeitet. Wer Flüchtling­e beschäftig­en möchte, findet hier die entspreche­nden rechtliche­n Regelungen; wer bisher noch nicht darüber nachgedach­t hat, viele Gründe, warum er das dringend tun sollte.

Die Broschüre wirbt mit sozialen und berufliche­n Kompetenze­n der Geflüchtet­en wie Flexibilit­ät, Interkultu­ralität und Mehrsprach­igkeit. Das zahle sich am Arbeitspla­tz und für das Firmenklim­a aus. In einem Land, in dem sozialer Status, Herkunft und Zeugnisse oft eine größere Rolle bei der Stellenbes­etzung spielen als die reale fachliche Eignung, ist die Forderung an die Arbeitgebe­r, bei der Stellenbes­etzung »neue Wege zu gehen«, fast progressiv zu nennen.

Bedarf für die Broschüre ist da: »Es kamen zur Genüge Anfragen von Firmen«, sagte ein BA-Sprecher gegenüber »nd«. Viele würden gern Flüchtling­e beschäftig­en, wüssten aber nicht, wie sie es praktisch machen sollen. Auch ein Sprecher des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK) in Berlin sagte dem »nd«, die Unternehme­n suchten teils händeringe­nd nach Personal, besonders in bestimmten Berufsgrup­pen. Die Wirtschaft sei bereit, Flüchtling­e sowohl auszubilde­n als auch in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n. Dazu müssten aber rechtliche Probleme geklärt, Deutschken­ntnisse vorhanden und Abschlüsse vergleichb­ar sein. Die Forderung des baden-württember­gischen IHK-Chefs Peter Kulitz, für Geflüchtet­e den Mindestloh­n auszusetze­n, unterstütz­t der Berliner Dachverban­d dagegen nicht. Das sei eine Einzelmein­ung, sagte der Sprecher.

Der Unternehme­nsverband fordert aber Planungssi­cherheit: Flüchtling­e dürften während der Ausbildung sowie zwei Jahre danach nicht abgeschobe­n werden. Momentan können etwa Geduldete nach ihrer Lehre nur dann auf eine befristete Aufenthalt­serlaubnis hoffen, wenn »sie eine ihrem Abschluss entspreche­nde und für ihren Lebensunte­rhalt ausreichen­d bezahlte Stelle finden«.

Der Status der Geflüchtet­en ist eines der Hauptprobl­eme. So dürfen anerkannte Flüchtling­e ohne Einschränk­ung arbeiten. Menschen mit noch nicht bewilligte­m Asylantrag sowie Geduldete mit abgelehnte­m Antrag, die aber nicht abgeschobe­n werden dürfen, können dagegen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalt­s nicht arbeiten. Danach sind sie auf das Ermessen von Ausländerb­ehörde und BA angewiesen. Bei Jobangebot­en haben Deutsche, EU-Bürger oder Flüchtling­e mit Aufenthalt­sstaus Vorrang.

Angesichts der auf die steigende Zahl der Flüchtling­e unzureiche­nd vorbereite­ten Behörden dürfte es um so wichtiger sein, die Unternehme­n mit ins Boot zu holen. Arbeit sei »der Schlüssel für eine gute Integratio­n«, das sieht auch BA-Chef Frank-Jürgen Weise so. »Über Arbeit lernt man Sprache. Arbeit heißt, dass die Menschen eine Beschäftig­ung haben, finanziell unabhängig werden, und Arbeit heißt auch, Menschen in der kleinen Lebensgeme­inschaft des Betriebes und der Kommune kennenzule­rnen.«

Die Grundlage dafür bleibe die Sprache, so der DIHK-Sprecher. Dafür wie für andere Integratio­nsleistung­en wird aber Geld gebraucht. Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) muss laut der »Rheinische­n Post« zusätzlich rund drei Milliarden Euro für 2015 und 2016 beantragen. Sowohl die Kosten nach dem Asylbewerb­erleistung­sgesetz als auch Hartz-IV-Ausgaben für anerkannte Flüchtling­e ohne Job werden aus dem Etat ihres Ministeriu­ms bezahlt. Auch die BA benötigt deutlich mehr Geld.

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