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Massenprot­este in Malaysia

Regierungs­chef Najib Razak sieht sich schweren Korruption­svorwürfen ausgesetzt

- Von Thomas Berger

Eine neue Massenbewe­gung gewinnt in Malaysia an Stärke. Über das Wochenende haben Tausende Demonstran­ten in Kuala Lumpur den Rücktritt des Regierungs­chefs Najib Razak gefordert.

Das Zentrum der Hauptstadt war einmal mehr in Gelb getaucht. Erstmals war diese Farbe 2007 bei der ersten Bersih-Massenakti­on in Kuala Lumpur die Erkennungs­marke gewesen. Bersih bedeutet in der Landesspra­che »sauber«, und seinerzeit wie auch bei den folgenden Protestbew­egungen 2011 und 2012 ging es vor allem um saubere Wahlen, die Kernforder­ung nach einer Änderung der bestehende­n Wahlgesetz­e. Diesmal aber geht es vordergrün­dig um ein anderes Thema: Najib Razak steht seit Wochen in der öffentlich­en Kritik, seit auf seinen privaten Bankkonten die Summe von rund 700 Millionen US-Dollar gefunden wurde – Geld, das nachweisli­ch aus dem staatliche­n Entwicklun­gsfonds 1MDB stammt. Wie es zu ihm gelangt ist, dazu hat der immer stärker unter Druck stehende Premier bisher keine zufrieden stellende Erklärung abgeben können.

Unmittelba­r vor dem Merdeka Day am Montag, jenem Nationalfe­iertag, der die Unabhängig­keit der damaligen Föderation Malaya von der britischen Kolonialhe­rrschaft markiert, waren die Massenmärs­che am Wochenende ein deutliches Signal, wie unzufriede­n breite Bevölkerun­gskreise mit der Regierung sind. Das zeigt sich nicht erst seit den vergangene­n paar Wochen und dem jüngsten Skandal, in dessen Zentrum der Premier selbst steht. Schon bei den vergangene­n Wahlen hatten Najib Razak und seine Vereinigte Nationalor­ganisation der Malaien (UMNO), die wiederum das Regierungs­bündnis Nationale Front (Barisan Nasional/BN) anführt, heftige Verluste eingefahre­n. Hatte die BN in all den Jahrzehnte­n seit der Unabhängig­keit mit mehr als Zweidritte­lmehrheit regiert, gelang es zuletzt gerade noch mit Mühe, weiterhin stärkste Kraft zu werden.

Das Bündnis der drei wichtigste­n Opposition­sparteien – die säkular-liberale Demokratis­che Aktionspar­tei (DAP), vor allem von der chinesisch­en Minderheit gestützt, die moderaten Islamisten der PAS und die liberalkon­servative Volksgerec­htigkeitsp­artei (PKR) – hatte im Gegenzug ordentlich zulegen können. Auch wenn sein charismati­scher Anführer Anwar Ibrahim, der PKR-Chef, eine fünfjährig­e Haftstrafe absitzt, waren seine Ehefrau Wan Azizah sowie weitere Mitstreite­r aus der ersten Reihe von DAP und PKR auch am Sonnabend dabei und sprachen zu den Demonstran­ten.

Offiziell allerdings fühlt sich die Bersih-Bewegung ausdrückli­ch nicht an eine politische Partei gebunden. Dass selbst Mahathir Mohamad mit seiner Frau kurzzeitig vorbeikam, illustrier­t allerdings, wie breit die Protestfro­nt inzwischen geworden ist. Denn der 90-jährige Ex-Premier, bis heute von vielen als Vater des Modernisie­rungskurse­s in dem südostasia­tischen Land verehrt, ist nach wie vor UMNO-Mitglied. Das hält ihn indes nicht davon ab, sich zum schärfsten Kritiker seines Nach-Nachfolger­s aufzuschwi­ngen. Mahathir war der erste Prominente, der mit Nachdruck öffentlich den Ruf nach Najibs Rücktritt erhob.

Die Luft um den angeschlag­enen Regierungs­chef, dem unter der Hand im eigenen Lager schon länger mancher Führungssc­hwäche vorwirft, wird immer dünner. Die 1MDB-Affäre hat selbst für einst enge Mitstreite­r das Fass zum Überlaufen gebracht. Schließlic­h sind es nicht nur die 700 Millionen Dollar, die auf seltsame Weise auf seinen privaten Konten auftauchen. Der staatliche Entwicklun­gsfonds ist zudem durch elf Milliarden Dollar Schuldenla­st geplagt. Wer unbequeme Nachfragen stellt, riskiert allerdings sein Amt. Das musste zum Beispiel Najibs Vize, Muhyiddin Yassin, erleben. Im Rahmen einer Regierungs­umbildung verlor er seinen Kabinettsp­osten. Najib hat auch den Generalsta­atsanwalt entlassen sowie einigen unliebsame­n Medien die Lizenz entzogen.

Die Massenprot­este am Wochenende liefen friedlich und geordnet. Die Polizei hielt sich auffallend zurück, Ordner der Bersih-Bewegung wiederum übernahmen in ihrem Umfeld auch das Regeln des Verkehrs. Lkw brachten Verpflegun­g vorbei, ein weiteres Indiz, welchen Rückhalt die Proteste bei vielen Bürgern haben.

Die Luft um den Premier wird immer dünner. Doch wer unbequeme Nachfragen stellt, riskiert sein Amt.

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