Das Meer als Müllkippe – Geisternetze und Zigarettenkippen
Nach Ansicht von Umweltaktivisten sind die deutschen Schutzmaßnahmen für Nord- und Ostsee nicht ambitioniert genug
Deutschland hat den Schutz des Meeres beim G7-Gipfel zum Thema gemacht. Nun muss sich zeigen, ob das mehr war als schöne Worte.
Mehr als zehn Millionen Abfälle gelangen jedes Jahr weltweit in die Ozeane. Alleine in der Ostsee landen nach Schätzungen der Umweltorganisation WWF jedes Jahr bis zu 10 000 sogenannte Geisternetze und Angelschnüre. In den kaputten Kunststoffnetzen verheddern sich Fische, Meeresschildkröten, Robben und Meeressäuger. Zerfällt der Plastikmüll, werden die Partikel von Meeresbewohnern gefressen und landen teilweise dann auf dem Teller.
Die Bundesregierung hat den »Meeresmüll« zu einem ihrer G7-Präsidentschaftsthemen gemacht. Die Umweltverbände hoffen jetzt, dass es nicht nur bei Absichtserklärungen bleibt. Zu den Vorschlägen, die derzeit diskutiert werden, gehört eine Markierung, anhand derer sich erkennen lässt, wer der Besitzer eines Netzes ist. Denn dann erst könnten diejenigen, die ihre alten Netze im Meer zurücklassen, dafür zur Rechenschaft gezogen oder in irgendeiner Form an der Beseitigung dieses gefährlichen Abfalls beteiligt werden. Helfen könnte nach Ansicht des Deutschen Naturschutzbundes (Nabu) auch die Einführung einer Steuer oder Sonderabgabe auf Einwegplastiktüten. Dass hierzulande bald ein generelles Plastiktüten-Verbot kommen könnte, glaubt der Verband nicht.
Was den sichtbaren Müll angeht, so sieht es an den Stränden der Nordsee etwas schlechter aus als an der Ostseeküste. Bei Stichprobenuntersuchungen an nicht gereinigten Ab- schnitten der deutschen und niederländischen Nordseeküste wurden auf 100 Metern Länge im Schnitt 236 Abfallteile gefunden – vom Ölfass bis zur Zigarettenkippe. Drei Viertel dieser Abfälle bestanden aus Kunststoff. Auf der Ostsee-Insel Fehmarn zählten Aktivisten auf der gleichen Strecke 85 Teile, auf Rügen waren es 190 Abfallstücke.
Zu den mit Bundesmitteln geförderten Meeresschutz-Projekten, die demnächst ausgeweitet werden könnten, zählt das Programm »Fishing for litter«. Es soll Fischer dazu bringen, alte Netze und Plastikmüll im Hafen abzugeben. Kritik üben Naturschutzaktivisten vor allem an dem deutschen Maßnahmenprogramm zur Umsetzung einer Vorgabe der EU mit dem sperrigen Namen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. »Die deutschen Vorschläge sind nicht besonders ambitioniert«, sagt Nabu-Meeresschutzexperte Kim Detloff. Auch finden nach Ansicht von Tierschützern in einigen als »Schutzgebiete« ausgewiesenen Zonen Aktivitäten statt, die sich mit dem Schutzcharakter nicht vereinbaren lassen.
Erste Erfolge vermelden die Naturschützer dagegen an der Mikroplastik-Front. Viele Zahnpasta-Hersteller setzen die winzigen Kunststoffpartikel in ihren Produkten inzwischen nicht mehr ein.