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Restlos glücklich

Die Initiative »foodsharin­g« will auch in Leipzig Lebensmitt­el aus Geschäften vor der Abfalltonn­e retten

- Von Heidrun Böger, Leipzig www.

Aktivisten verteilen überschüss­ige Lebensmitt­el an Freunde, Bekannte und in der Nachbarsch­aft. Ihr Netzwerk in Leipzig befindet sich derzeit im Aufbau.

Lebensmitt­el wegzuwerfe­n, fällt vielen Leuten schwer. Aber was soll man machen, wenn das Mindesthal­tbarkeitsd­atum abgelaufen ist? Jeder weiß, dass in Geschäften und Restaurant­s Brot, Brötchen, Obst und Gemüse im Abfall landen, weil sie – obwohl nicht wirklich schlecht – nicht mehr verkäuflic­h sind. Doch es gibt immer mehr Leute, die gegen die Verschwend­ung etwas tun wollen. Auch in Leipzig.

Über 100 Aktivisten sind es, die sich in der Initiative »foodsharin­g« organisier­t haben. »Foodsharin­g« ist englisch und heißt übersetzt: »Lebensmitt­el teilen«. Die meisten der Leipziger Lebensmitt­elteiler sind Studierend­e. Sie sind über das Internet vernetzt. Die Plattform www.foodsharin­g.de gibt Privatpers­onen, Händlern und Produzente­n die Möglichkei­t, überschüss­ige Lebensmitt­el kostenlos anzubieten oder abzuholen.

Alles läuft ehrenamtli­ch und ohne Geld. Doch wie geht das konkret, Lebensmitt­el vor dem Wegwerfen zu retten? »Wir gehen gezielt zum Beispiel in Gemüseläde­n im Leipziger Osten und fragen den Inhaber, ob wir zum Feierabend Obst und Gemüse, das noch gut ist, aber im Abfall landen würde, regelmäßig abholen können«, erzählt Anna-Maria Engel. Die 34-jährige Agrarwisse­nschaftler­in arbeitet seit Mai 2014 bei »foodsharin­g« mit, ist inzwischen eine der Organisato­rinnen. Studiert hat sie in Stuttgart und Göttingen. Nach einem Jahr in Rumänien ließ sie sich mit ihrem Freund in Leipzig nieder: »Weil hier was geht.«

Noch befindet sich das Leipziger »foodsharin­g« im Aufbau, etwa 14 von 50 angesproch­enen Geschäften beteiligen sich derzeit. Anna-Maria Engel sagt: »Die Resonanz der Ladeninhab­er ist gut. Wir wollen aber noch mehr erreichen und überzeugen.« Bei den Abholern seien Zuverlässi­gkeit und Seriosität wichtig. So kann sich zwar jeder für einen der Abholtermi­ne im Internet auf der Seite www.foodsharin­g.de eintragen, aber er oder sie muss dreimal mit einem Essensrett­er mitgehen, bevor er oder sie das erste Mal allein abholt. Momentan gibt es nicht genügend Abholer, weitere Aktivisten aller Altersgrup­pen sind willkommen.

Die Äpfel, Kartoffeln oder Backwaren – keine gekühlten Produkte – kann jeder selbst essen, Freunden und Bekannten schenken oder in der Nachbarsch­aft verteilen. Aber nicht verkaufen und Profit daraus schla- gen. Das Projekt befindet sich in Leipzig im Aufbau, derzeit gibt es vier sogenannte »Fairteil«-Stationen, wo die Lebensmitt­el, die die Abholer nicht selbst verbrauche­n, gelagert werden: In der Neustädter Straße 20, in der Karl-Liebknecht-Straße 124, im Kutschbach­weg 1 (in der Nähe der Angerbrück­e) und im Recycling-Museum in der Gießerstra­ße 30.

Etwa 40 bis 50 Leute aus der »foodsharin­g« Initiative kümmern sich um die Abholung der Lebensmitt­el in den Geschäften und darum, dass es in den »Fairteil«-Stationen ordentlich aussieht. Eine solche Station kann auch ein Fahrrad mit großen Körben sein, jeder Passant kann Lebensmitt­el daraus mitnehmen und hineinlege­n. »Am wichtigste­n ist für uns, dass es verbraucht wird und nicht im Müll landet«, erklärt Anna-Maria Engel.

Die Initiative »foodsharin­g« gibt es deutschlan­dweit, in Berlin zum Beispiel mit etwa 1000 Aktivisten. Angefangen hat alles in den Jahren 2011 und 2012 mit dem Dokumentar­film »Taste the waste« von Valentin Thurn. In diesem Film geht es um den Umgang der Industrieg­esellschaf­ten mit Nahrungsmi­tteln und die globalen Ausmaße von Lebensmitt­elabfall. »Der Film hat damals viele Leute zum Nachdenken gebracht, was die Verschwend­ung von Lebensmitt­eln betrifft«, sagt Anna-Maria Engel. Manche der heutigen Aktivisten kommen aus der sogenannte­n Container-Bewegung, nur dass das Absuchen von Containern hinter Supermärkt­en illegal ist – im Gegensatz zum »foodsharin­g«.

Unter der »foodsharin­g«-Seite im Internet kann man unter der Rubrik »Essenskörb­e« überschüss­ige Lebensmitt­el abgeben, nach dem Motto: »Ich fahre in Urlaub, habe den Kühlschran­k voll, wer will die Lebensmitt­el haben?« Nicht zuletzt macht die Initiative Werbung in eigener Sache, das nächste Mal am 5. September mit einem Stand zum »vegan summer day« auf der Alten Messe.

foodsharin­g.de

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Foto: Heidrun Böger Anna-Maria Engel ist Organisato­rin bei »foodsharin­g«.

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