Von wegen Klassenkampf
Nach dem 1:1 gegen RB Leipzig kämpft der 1. FC Union Berlin wieder mit sich selbst
Die Berliner Fans inszenierten ihre Abneigung gegen RasenBallsport Leipzig wieder eindrucksvoll. Geld und Gewinnorientierung gehören aber auch zum Geschäft des 1. FC Union.
Es gibt sie noch im Fußball – dankbare Gegner. RB Leipzig ist so einer, zumindest solange er noch in der zweiten Liga spielt. Die finanzielle Ausnahmestellung des Red-BullKlubs wird schon im Vorfeld von Spielen gegen die Leipziger thematisiert. Folgt dann eine Niederlage, lässt sie sich ganz einfach damit erklären. Gewinnt man gegen RasenBallsport, ist der Jubel umso größer – Balsam für die eigene Klubseele.
Klassenkampf! Diese Schlagzeile gehört den ganz besonderen Spielen gegen RB. Am Freitagabend gab es wieder so eins. Die Leipziger traten beim 1. FC Union Berlin an, einem dieser Klubs, bei dem Fans und auch die Vereinsführung ganz offen für den Erhalt der Fußballkultur kämpfen. Klar, dass Präsident Dirk Zingler und Co. auch den fünfzehnminütigen Schweigeprotest zu Beginn des Spiels unterstützten. Am Ende stand es 1:1.
Etwas glücklich für Union, weil Leipzig vor allem nach der Berliner Führung durch Sören Brandy (25. Minute) das Spiel klar bestimmte. Etwas glücklich aber auch für die Gäste, weil sie aus der Überlegenheit zu wenig Torgefahr entwickelt hatten und erst durch ein Eigentor von Michael Parensen (83.) ausglichen.
Wie aufgeladen dieses Duell ist, wurde schon vor dem Anpfiff in der Alten Försterei deutlich. Unter großem Applaus vertrieb ein Ordner die RB-Spieler beim Warmmachen aus dem Mittelkreis. Dort musste Platz für eine großflächige Werbung (!) eines Union-Sponsors geschaffen werden. »Hier regiert der FCU«, jubelten die Berliner Anhänger. Ein Widerspruch, der zeigt, dass Klassenkampf eine unpassende Beschreibung dieses Aufeinandertreffens ist. Beide Klubs spielen in derselben Liga – im Profifußball. Geld und Gewinnorientierung gehören auch beim 1. FC Union zum Geschäft.
Erhebliche Unterschiede gibt es natürlich dennoch zwischen beiden Klubs. Die Köpenicker Ultras machten sie mit ihrer Choreographie deutlich. »Das höchste Gut der Fans ist Mitbestimmung« stand groß vor der Tribüne an der Waldseite. Und konkreter: »Kommunikation auf Augenhöhe« oder »Fans in Vereinsgremien«. All das fehlt dem aus Marketinggründen von Red Bull gegründeten Verein aus Leipzig. Ein Problem scheinen dessen Anhänger damit (noch) nicht zu haben. Auf Kritik reagieren sie mit Humor. »2292 Tage Fußballtradition« stand auf einem ihrer Transparente. Die Hoffnung – und berechtigte Aussicht – auf schnellen sportlichen Erfolg bewegt sie mehr.
Auch »Stadionteilhabe« war auf einem der Berliner Transparente zu lesen. Ja, viele Union-Fans haben am Stadion mitgebaut und auch Stadionaktien gekauft. Aber auch nicht wenige Fans haben vor gut einem Jahr etliche Sofas aus dem Stadion geschafft und in die Wuhle geworfen. Aus Protest gegen das von der Vereinsführung eingerichtete WMWohnzimmer in der Alten Försterei – ohne Mitsprache der Fans. Und dass der Klub jetzt auch durch Konzerte im Fußballstadion Geld verdienen will, passt vielen ebenso wenig. Zur Premiere spielt am kommenden Donnerstag Linkin Park.
»Union ist keine Marke, sondern ein Verein«, begrüßten die Fans im letzten Heimspiel der vergangenen Saison einen neuen Sponsor, der sich in der Wortwahl vergriffen hatte. Das war es dann aber auch schon. Obwohl Union-Präsident Zingler kurz zuvor in einem Interview selbst vom Verein als »tolle Marke« sowie benötigten »Investoren und Kapitalgebern« gesprochen hatte.
Dass sich der Protest gegen die Entwicklung des eigenen Klubs in Grenzen hält, ist auch beim 1. FC Union mit der Hoffnung auf sportlichen Erfolg verbunden. Das Ziel 1. Bundesliga ist längst ausgerufen. Die Zweifel, dass Norbert Düwel der richtige Trainer dafür ist, sind nach dem mäßigen Saisonstart mit vier Punkten aus fünf Spielen nicht geringer geworden. Am Freitagabend aber wurde erst mal ein Punkt gegen RB Leipzig gefeiert.