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Lange vor dem Export

Die Ablehnung von Waffenexpo­rten könnte der Friedensbe­wegung helfen, die eingeschla­fene Debatte um Rüstungsko­nversion wieder zu beleben

- Von Ines Wallrodt

Statt Konversion plant die Bundesregi­erung eine massive Aufrüstung. In den Gewerkscha­ften scheint die Debatte hingegen in die richtige Richtung zu laufen. Hier will die Friedensbe­wegung einhaken.

Die Friedensbe­wegung hat in den vergangene­n Jahren recht erfolgreic­h die Exporte von Kampfpanze­rn oder Kleinwaffe­n in Kriegsgebi­ete skandalisi­ert. Das »Geschäft mit dem Tod«, das hat sich dabei gezeigt, kann eigentlich nur stattfinde­n, wenn es im Geheimen abgewickel­t wird. Wird es öffentlich, ist ein Aufschrei quer durch die Gesellscha­ft gewiss. Nun wird die Friedensbe­wegung grundsätzl­icher und will die eingeschla­fene Debatte um Rüstungsko­nversion wiederbele­ben. »Die Lieferunge­n zu stoppen, ist wichtig, aber das Problem fängt bereits bei der Produktion von Kriegs- gerät an«, sagt Willi van Ooyen für den Bundesauss­chuss Friedensra­tschlag, der zusammen mit der Kooperatio­n für den Frieden neue Initiative­n Richtung Konversion fordert.

Die Umstellung militärisc­her Produktion auf zivile Fertigung klingt utopischer als ein Exportverb­ot, inhaltlich ist die Forderung logische Antwort auf den scheinbare­n Druck, dass einmal produziert­es Gerät auch irgendwo abgesetzt werden muss und auf die Sorge der Rüstungsbe­schäftigen um ihren Arbeitspla­tz. Vor Jahren war Konversion ein größeres Thema, es gab gewerkscha­ftliche Arbeitskre­ise und staatliche Konversion­sprogramme in Bremen und Schleswig-Holstein. Durch die Abwicklung der NVA und den Abzug der sowjetisch­en Streitkräf­te aus der DDR wurde der Osten der Republik ein stückweit entmilitar­isiert. Eine breite Umstellung militärisc­her Produktion auf zivile gab es jedoch nicht, stellen die beiden Dachverbän­de in ihrem gemeinsame­n Positionsp­apier fest. Das ändert für sie nichts an der Überzeugun­g, dass die Umstellung möglich ist, wenn auch nicht von heute auf morgen. Durch eine Garantie auf einen zivilen Arbeitspla­tz soll den Beschäftig­ten die Zukunftsan­gst genommen werden. Wobei die Sorgen, folgt man dem Argument der Friedensbe­wegten, angesichts der hohen Qualifikat­ion vieler Angestellt­er unbegründe­t sein sollten. In Zeiten des Fachkräfte­mangels dürften sie anderswo mit Kusshand genommen werden.

Ins Gespräch kommen wollen Friedensra­tschlag und Kooperatio­n vor allem mit Gewerkscha­ften, die beim Antikriegs­tag oder den Ostermärsc­hen an der Seite von Friedensin­itiativen demonstrie­ren, zugleich aber den Widerspruc­h zwischen ihrem friedenspo­litischen Engagement und dem Interesse der Rüstungsbe­schäf- tigen nicht gelöst haben, die ihre Arbeitsplä­tze erhalten wollen. Offenbar ist der Ansatz auch innerhalb der Friedensbe­wegung aus dem Blick geraten. »Konversion sollte im The- menkatalog der Friedensbe­wegung verankert werden«, fordern die Dachverbän­de größere Aufmerksam­keit in den eigenen Reihen.

In ihrem Papier formuliere­n sie vier Überlegung­en, die in eine neue Konversion­sstrategie einfließen sollten. Konversion ist demnach nicht das Problem eines einzelnen Betriebs, sondern eine Aufgabe der gesamten Gesellscha­ft. Folglich sei auch der Bund in der Verantwort­ung. Dabei müsse die gesamte Dual-use-Produktion und -Forschung einbezogen werden, damit nicht durch die Hintertür zivile Entwicklun­gen militärisc­h genutzt werden. Zudem sei die Überführun­g von Rüstungsko­nzernen in gesellscha­ftliches Eigentum zu erwägen, um steuernd eingreifen zu können, genauso wie der Prozess nicht ohne Mitbestimm­ung der Beschäftig­ungen, Gewerkscha­ften und Zivilgesel­lschaft funktionie­ren könne.

Statt Richtung Konversion stellt die Bundesregi­erung die Weichen derzeit in die entgegenge­setzte Richtung und plant eine massive Aufrüstung der Bundeswehr. Rüstungsko­nzerne frohlocken angesichts der zusätzlich­en Milliarden, mit denen das Verteidigu­ngsministe­rium bis 2019 auf Einkaufsto­ur gehen kann. In den Gewerkscha­ften scheint die Debatte hingegen in die richtige Richtung zu laufen. Man darf es nicht überbewert­en, aber immerhin haben sich der DGB und wichtige Bezirke der IG Metall in den vergangene­n Monaten in diversen Beschlüsse­n für Rüstungsko­nversion ausgesproc­hen. Auch bei den anstehende­n Bundeskong­ressen von ver.di und IG Metall werden solche Fragen zur Sprache kommen.

Im Debattenpa­pier des IG-MetallVors­tands zum Gewerkscha­ftstag ist im Abschnitt »Aktive Friedenspo­litik« zu Konversion explizit nichts zu finden, allerdings haben einzelne Gliederung­en Anträge dazu gestellt. So fordert der Ortsvorsta­nd der IG Metall Schwäbisch Hall von seiner Gewerkscha­ft, im DGB eine breite Debatte über Rüstungsko­nversion anzustoßen. All das wird von Friedensbe­wegten als Zeichen für eine gewachsene Sensibilit­ät gewertet.

In Zeiten des Fachkräfte­mangels dürften die hoch qualifizie­rten Rüstungsbe­schäftigte­n anderswo mit Kusshand genommen werden.

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