nd.DerTag

Gerüchtsfa­ll

- Von Uwe Kalbe

Es muss in den Ohren eines Chinesen höchst beunruhige­nd klingen, was Wang Xiaolu vorgeworfe­n wird: das Verbreiten falscher Informatio­nen. Der Finanzjour­nalist der Zeitschrif­t »Caijing« habe »gestanden«, durch seine Berichters­tattung über Wertpapier­e und Termingesc­häfte die jüngsten Turbulenze­n an der chinesisch­en Börse verschulde­t zu haben. Die von ihm verbreitet­en »falschen Informatio­nen« hätten zu »Panik und Unruhe« an den Aktienmärk­ten geführt und das Vertrauen der Anleger »ernsthaft untergrabe­n«, so gibt die Nachrichte­nagentur Xinhua das Geständnis des Delinquent­en wieder. Er habe damit beim Staat und Investoren Verluste verursacht.

Der Journalist war nach dem jüngsten Börsencras­h festgenomm­en worden. Ob das Geständnis der Verhaftung vorausging oder ihr folgte, geht aus den Meldungen nicht hervor. Fest steht: Das Reich der Mitte kämpft seit Wochen mit einer Konjunktur­flaute. Die Kurse an den chinesisch­en Börsen fallen. Mehrfache Abwertunge­n des Yuan sowie milliarden­schwere Anleihekäu­fe haben dies bisher nicht ändern können. Der Kapitalism­us chinesisch­er Prägung zeigt damit, dass auch er nichts Besonderes ist. Traditione­lle Methoden der Problembeh­andlung kommen trotzdem zur Anwendung: Schuldige zu präsentier­en. Auch ein Beamter der Börsenaufs­icht und vier Wertpapier­händler wurden festgenomm­en, diese allerdings wegen Insiderhan­dels. Knapp 200 weitere Personen wurden Hsinhua zufolge bestraft, weil sie über die Börsenturb­ulenzen und die Explosions­katastroph­e in Tianjin im Internet »Gerüchte verbreitet« haben sollen. Die Explosione­n im Hafen von Tianjin kosteten rund 170 Menschen das Leben.

Das Gerücht ist in China eine strafrecht­lich relevante Kategorie. Bis zu drei Jahre Haft kann seine Verbreitun­g nach sich ziehen. Vor drei Jahren erst schuf ein Gesetz den direkten Übergang vom Gerücht zum Gericht. Reale Probleme sind damit freilich nicht zu lösen. Am Montag kam es erneut zu einem starken Kursverfal­l. Den Kapitalism­us in seinem Lauf halten auch Gerüchte nicht auf.

 ?? Foto: AFP/CCTV ?? Dem Finanzjour­nalisten Wang Xiaolu droht eine Haftstrafe.
Foto: AFP/CCTV Dem Finanzjour­nalisten Wang Xiaolu droht eine Haftstrafe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany