nd.DerTag

Moralische Trittbrett­fahrer

- Velten Schäfer über die Instrument­alisierung von Flüchtling­en im Tarifstrei­t

Es ist noch eine Weile, bis die nächste Metalltari­frunde beginnt, doch die Arbeitgebe­r haben offenbar schon Argumente im Testbetrie­b. Man brauche im Tarif eine neue Niedrigloh­ngruppe, um etwa Flüchtling­en eine Chance geben zu können, so der Metallarbe­itgeberche­f von NordrheinW­estfalen: Das System sei zu starr, der Abstand vom niedrigste­n Tarif zum Mindestloh­n sei zu hoch für einfache Arbeiten!

Das Argument ist in der Sache falsch, denn tatsächlic­h gibt es gerade in der Metallbran­che einen stetig wachsenden Niedrigloh­nbereich. Selbst bei den reichen Autokonzer­nen werden immer mehr Jobs über Werkverträ­ge in tariflose Zonen abgedrängt. Es ist im Ton paternalis­tisch, setzt es doch stillschwe­igend voraus, dass Flüchtling­e vor allem für Hilfstätig­keit infrage kämen. Geradezu demagogisc­h aber ist seine Logik, Lohnsenkun­gen im Sommer der Flüchtling­e als Integratio­nshilfe anzupreise­n.

Seit Monaten macht sich die Arbeitgebe­rseite dafür stark, Flüchtling­en die Aufnahme von Arbeit zu erleichter­n. Das ist lobenswert – wenn solche Forderunge­n nicht in Wirklichke­it zum Ziel haben, Standards zu senken und Beschäftig­te gegeneinan­der auszuspiel­en. Hat der Vorstoß aber eine solche Zielrichtu­ng, geht es um moralische Trittbrett­fahrerei, die ein Gegenteil von Integratio­n bewirkt. Und gerade so will es nun aussehen.

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