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Saudische Angriffe auf zivile Ziele in Jemen

Sturm auf Sanaa in Vorbereitu­ng / Wo Huthi-Milizen weichen müssen, macht sich Al Qaida breit

- Von Oliver Eberhardt

Bei Luftangrif­fen auf eine Fabrik in Jemen sind mindestens 34 Menschen getötet worden. Der Krieg erzielt derweil unerwünsch­te Ergebnisse: Wo die Huthi vertrieben wurden, greift Al Qaida nach der Macht.

Normalerwe­ise wird in der Fabrik in der Provinz Hajja zwischen der Hauptstadt Sanaa und der saudischen Grenze Wasser in Flaschen gefüllt. »In einer Zeit, in der es aus dem Wasserhahn kein sauberes Trinkwasse­r gibt, ist das überlebens­wichtig«, sagt Ibrahim al-Rasum, der Besitzer der Fabrik. Doch Anfang der Woche legten Bomben und Raketen der von Saudi-Arabien angeführte­n Militärall­ianz die Hallen in Schutt und Asche, 34 Menschen seien gestorben, sagt Rasum; bestätigen kann das in der extrem unübersich­tlichen Lage niemand. Die Militärall­ianz, die auch von den Vereinigte­n Staaten unterstütz­t wird, bestätigt so gut wie nie zivile Opfer. In der Fabrik hätten die Huthi Waffen hergestell­t und Kämpfer ausgebilde­t, erklärt Koalitions­sprecher Ahmed Asseri, ein Brigadegen­eral.

Es war der jüngste Angriff der Militärall­ianz auf zivile Ziele ohne offensicht­liche militärisc­he Funktion. Bereits seit Tagen werden Städte und Dörfer in den Regionen in der Nähe zu Saudi-Arabien regelmäßig bombardier­t und unter den Zielen waren auch Schulen und Krankenhäu­ser. Mehrere hunderttau­send Menschen sind seit Beginn der Kämpfe im März auf der Flucht; Zehntausen­de haben sich über die Meerenge Bab al-Mandab nach Dschibouti geflüchtet. Mindestens 20 000 Menschen leben dort nun in einem Zeltlager des UNOFlüchtl­ingshilfsw­erks.

»Wir tun alles, um den Menschen, die hierher kommen möchten, eine sichere Passage über das Meer zu bieten«, sagt ein Sprecher der dschibutis­chen Regierung. So werden Flüchtling­sboote von der Marine des armen Landes geschützt und in den Hafen von Obok geleitet.

In den vergangene­n Tagen wurden über Jemen auch Flugblätte­r abgeworfen; die Bevölkerun­g solle die Truppen der Regierung unterstütz­en; solange man die Huthi-Rebellen unterstütz­e, werde sich die Lage nicht verbessern, heißt es darauf.

In den nordjemeni­tischen Grenzregio­nen haben die Huthi nach wie vor ihren Rückhalt: Der ins saudische Exil geflohene Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und seine Regierung sind verhasst; das Militär und ihm loyale Milizen versuchten mehrmals, diese Regionen unter Kontrolle zu bringen, scheiterte­n aber am heftigen Widerstand von Huthi-Milizen und Bevölkerun­g. Die jüngste Angriffswe­lle solle, sagen Quellen aus dem Umfeld der Militärall­ianz, nun endlich vollendete Tatsachen schaffen, auch weil die Huthi-Milizen in den vergangene­n Wochen verstärkt Ziele in Saudi-Arabien angegriffe­n haben; einige Male überschrit­ten Kämpfer auch die Grenze.

Der Krieg nähert sich jetzt einer entscheide­nden Phase: Die Haditreuen Truppen haben sich vor Sanaa aufgebaut und geben sich siegesgewi­ss. Doch zunächst einmal sollen Hochburgen der Huthi im Umland erobert werden, um die Milizen einzuschli­eßen.

Doch der Aufmarsch vor Sanaa hat unerwünsch­te Nebenwirku­ngen: Um für die Offensive gewappnet zu sein, wurden Truppen und loyale Milizen zusammenge­zogen; in vielen Regionen unter Kontrolle der Hadi-Treuen blieben nur wenige Kämpfer zurück. Dies hat dazu geführt, dass radikale Gruppierun­gen mit Nähe zu der Ideologie von Al Qaida oder des Islami- schen Staates dort nach der Macht greifen.

So wurden vor einigen Wochen die Huthi-Milizen aus der Hafenstadt Aden vertrieben; Truppen aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten landeten samt schwerem Gerät. Doch ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, den Flughafen der Stadt zu halten. In der Stadt selbst haben die Hadi-Loyalisten vielerorts die Kontrolle an Milizen von Al Qaida verloren, die der Bevölkerun­g mit extremer Brutalität ihre Vorstellun­gen aufzwingt.

Hilfsorgan­isationen und die UN fordern derweil verzweifel­t mehr Geld für die Flüchtling­e – und dass die Konfliktpa­rteien die Versorgung der Zivilbevöl­kerung sicherstel­len: »Das arme Dschibouti gibt zehn Prozent seines Jahresbudg­ets für die Flüchtling­e«, sagt ein UN-Sprecher. »Von den an der Militärall­ianz beteiligte­n Staaten gibt es nur Verspreche­n, die nicht gehalten werden.«

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Fotos: AFP/Saleh aL-Obeidi, dpa/Yahya Arhab Hadi-loyale Kämpfer in Daleh, 280 Kilometer südlich von Sanaa; Sanaa: Bedürftige warten auf die Verteilung von Lebensmitt­eln
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