Saudische Angriffe auf zivile Ziele in Jemen
Sturm auf Sanaa in Vorbereitung / Wo Huthi-Milizen weichen müssen, macht sich Al Qaida breit
Bei Luftangriffen auf eine Fabrik in Jemen sind mindestens 34 Menschen getötet worden. Der Krieg erzielt derweil unerwünschte Ergebnisse: Wo die Huthi vertrieben wurden, greift Al Qaida nach der Macht.
Normalerweise wird in der Fabrik in der Provinz Hajja zwischen der Hauptstadt Sanaa und der saudischen Grenze Wasser in Flaschen gefüllt. »In einer Zeit, in der es aus dem Wasserhahn kein sauberes Trinkwasser gibt, ist das überlebenswichtig«, sagt Ibrahim al-Rasum, der Besitzer der Fabrik. Doch Anfang der Woche legten Bomben und Raketen der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz die Hallen in Schutt und Asche, 34 Menschen seien gestorben, sagt Rasum; bestätigen kann das in der extrem unübersichtlichen Lage niemand. Die Militärallianz, die auch von den Vereinigten Staaten unterstützt wird, bestätigt so gut wie nie zivile Opfer. In der Fabrik hätten die Huthi Waffen hergestellt und Kämpfer ausgebildet, erklärt Koalitionssprecher Ahmed Asseri, ein Brigadegeneral.
Es war der jüngste Angriff der Militärallianz auf zivile Ziele ohne offensichtliche militärische Funktion. Bereits seit Tagen werden Städte und Dörfer in den Regionen in der Nähe zu Saudi-Arabien regelmäßig bombardiert und unter den Zielen waren auch Schulen und Krankenhäuser. Mehrere hunderttausend Menschen sind seit Beginn der Kämpfe im März auf der Flucht; Zehntausende haben sich über die Meerenge Bab al-Mandab nach Dschibouti geflüchtet. Mindestens 20 000 Menschen leben dort nun in einem Zeltlager des UNOFlüchtlingshilfswerks.
»Wir tun alles, um den Menschen, die hierher kommen möchten, eine sichere Passage über das Meer zu bieten«, sagt ein Sprecher der dschibutischen Regierung. So werden Flüchtlingsboote von der Marine des armen Landes geschützt und in den Hafen von Obok geleitet.
In den vergangenen Tagen wurden über Jemen auch Flugblätter abgeworfen; die Bevölkerung solle die Truppen der Regierung unterstützen; solange man die Huthi-Rebellen unterstütze, werde sich die Lage nicht verbessern, heißt es darauf.
In den nordjemenitischen Grenzregionen haben die Huthi nach wie vor ihren Rückhalt: Der ins saudische Exil geflohene Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und seine Regierung sind verhasst; das Militär und ihm loyale Milizen versuchten mehrmals, diese Regionen unter Kontrolle zu bringen, scheiterten aber am heftigen Widerstand von Huthi-Milizen und Bevölkerung. Die jüngste Angriffswelle solle, sagen Quellen aus dem Umfeld der Militärallianz, nun endlich vollendete Tatsachen schaffen, auch weil die Huthi-Milizen in den vergangenen Wochen verstärkt Ziele in Saudi-Arabien angegriffen haben; einige Male überschritten Kämpfer auch die Grenze.
Der Krieg nähert sich jetzt einer entscheidenden Phase: Die Haditreuen Truppen haben sich vor Sanaa aufgebaut und geben sich siegesgewiss. Doch zunächst einmal sollen Hochburgen der Huthi im Umland erobert werden, um die Milizen einzuschließen.
Doch der Aufmarsch vor Sanaa hat unerwünschte Nebenwirkungen: Um für die Offensive gewappnet zu sein, wurden Truppen und loyale Milizen zusammengezogen; in vielen Regionen unter Kontrolle der Hadi-Treuen blieben nur wenige Kämpfer zurück. Dies hat dazu geführt, dass radikale Gruppierungen mit Nähe zu der Ideologie von Al Qaida oder des Islami- schen Staates dort nach der Macht greifen.
So wurden vor einigen Wochen die Huthi-Milizen aus der Hafenstadt Aden vertrieben; Truppen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten landeten samt schwerem Gerät. Doch ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, den Flughafen der Stadt zu halten. In der Stadt selbst haben die Hadi-Loyalisten vielerorts die Kontrolle an Milizen von Al Qaida verloren, die der Bevölkerung mit extremer Brutalität ihre Vorstellungen aufzwingt.
Hilfsorganisationen und die UN fordern derweil verzweifelt mehr Geld für die Flüchtlinge – und dass die Konfliktparteien die Versorgung der Zivilbevölkerung sicherstellen: »Das arme Dschibouti gibt zehn Prozent seines Jahresbudgets für die Flüchtlinge«, sagt ein UN-Sprecher. »Von den an der Militärallianz beteiligten Staaten gibt es nur Versprechen, die nicht gehalten werden.«