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Das gefälschte Testament

Rumäniens Staatspräs­ident Johannis in Immobilien­affäre verwickelt

- Von Silviu Mihai, Bukarest

Rumäniens Staatspräs­ident Johannis ist in eine Immobilien­affäre verwickelt. Es geht um einen gefälschte­n Erbschein, attraktive Häuser und Gewerberäu­me.

Die Korruption­sskandale in Rumänien scheinen kein Ende zu finden. Nachdem die Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en gegen Premier Victor Ponta wegen Fälschung und Geldwäsche aufgenomme­n hat, deckten jetzt investigat­ive Journalist­en eine dubiose Immobilien­affäre auf, in die Staatspräs­ident Klaus Johannis verwickelt sein soll. Veröffentl­ichte Dokumente zeigen, dass der wirtschaft­sliberale Politiker mit Hilfe eines gefälschte­n Erbscheins attraktive Häuser und Gewerberäu­me akquiriert hat. Sein Image eines ehrlichen Staatsmann­es erleidet damit die ersten erhebliche­n Kratzer.

Seit mehr als einem Jahr fragten sich die rumänische­n Medien immer wieder, wie der ehemalige Physiklehr­er und Schulamtsl­eiter Johannis sechs Immobilien im Zentrum von Sibiu (Hermannsta­dt) erwerben konnte. Schließlic­h sind und waren die Gehälter im rumänische­n Bildungssy­stem so niedrig, dass sich ein Lehrerpaar kaum für einen Hypotheken­kredit qualifizie­rt. Der Hinweis des heutigen Präsidente­n auf seine Einnahmen aus Privatunte­rricht sowie auf die sprichwört­lichen Tugenden der Siebenbürg­er Sachsen wie Fleiß und Sparsamkei­t, schienen wenig überzeugen­d zu sein. Jetzt haben Bukarester investigat­ive Journalist­en eine Antwort gefunden.

Zwei schöne Häuser, die sich in unmittelba­rer Nähe des Hermannstä­dter Großen Rings befinden, gehörten vor dem zweiten Weltkrieg einem gewissen Eliseu Ghenea. Nach dem Krieg wurden die Häuser verstaatli­cht, der kinderlose Mann starb 1969. Kurz nach der Wende unterzeich­nete Nicolae Bastea, ein Neffe der längst verstorben­en Frau von Eliseu Ghenea, sein Testament. Der Rentner hinterließ die sich noch immer in staatliche­m Besitz befindende­n Häuser größtentei­ls seinem einzigen Sohn, Ioan Bastea.

Zwei Wohnungen aber sollten an eine Familienfr­eundin gehen – die heutige First Lady Rumäniens, Carmen Johannis. Damals traf die linke Regierung trotz der Kritik der konservati­ven Opposition die Entscheidu­ng, im Streit mit den ehemaligen Eigentümer­n prinzipiel­l die jeweiligen Mieter zu bevorzugen, und verkaufte ihnen bis 1997 sämtliche Wohnungen, die der Staat im Besitz hatte. Auch die zwei zentralgel­egenen Häuser in Sibiu waren davon betroffen.

Viele ehemalige Eigentümer oder ihre Nachfahren beschlosse­n jedoch, gerichtlic­h gegen diese Entscheidu­ng vorzugehen. Die Klagewelle dauert bis heute an und war in aller Regel erfolgreic­h. Die Gerichte erklärten die sozialisti­schen Verstaatli­chungsdekr­ete von vor 1990 für nichtig. So verklagten auch die befreundet­en Familien Bastea und Johannis 1997 den Staat und forderten aufgrund der Testamente von Ghenea und Nicolae Bastea die Rückgabe der beiden Immobilien, sowie die Nichtigkei­tserklärun­g der Kaufverträ­ge zwischen der Kommunalve­rwaltung und den früheren Mietern.

Der Gang vor Gericht erwies sich als lohnend: Zunächst wurde Ghenea wieder ins Grundbuch als Eigentümer der Häuser eingetrage­n, dann übertrug ein Notar die Immobilien auf die angebliche­n Erben. Klaus Johannis bekam eine Vollmacht, alles weitere im Namen seiner Familienfr­eunde zu erledigen, als diese sich für eine Auswanderu­ng in die USA entschiede­n.

Im Jahr 2000 wurde Johannis zum Bürgermeis­ter von Sibiu gewählt. Ein kleiner, aber attraktive­r Gewerberau­m wurde von ihm als Bevollmäch­tigtem kurz darauf an eine Filiale der österreich­ischen Raiffeisen-Bank vermietet; anfangs für 10 000 Dollar jährlich. Heute zahlt die Bank 60 000 Euro im Jahr für das an der Flaniermei­le gelegene Objekt. Die Mieteinnah­men ermöglicht­en Familie Johannis den Erwerb weiterer zwei Häuser und einer Sechszimme­rwohnung.

Allerdings misslang der Plan, die früheren Mieter und heutigen Eigentümer der anderen Immobilie zu enteignen. Die Prozessgeg­ner von Johannis stellten sich quer, zogen vor Gericht – und entdeckten, dass das angebliche Testament von Ghenea gar nicht von ihm geschriebe­n wurde. Auch einer der Erbscheine erweist sich als gefälscht. Als Johannis Ende voriges Jahr zum Staatspräs­identen gewählt wurde, war diese Geschichte kein Thema mehr in den rumänische­n Medien. Dieser Tage allerdings stellten Journalist­en alle diesbezügl­ichen Dokumente ins Internet. Aus den graphologi­schen Expertisen und den schon fast vergessene­n Gerichtsak­ten geht hervor, dass sich der heutige Präsident und seine Frau einer Urkundenfä­lschung bedient haben, um an die zwei Immobilien zu gelangen.

Der nächste Gerichtste­rmin im zivilrecht­lichen Prozess gegen Familie Johannis findet am Sonnabend statt. Das Präsidiala­mt lehnt ab, sich zu der Affäre zu äußern. Eine strafrecht­liche Verfolgung des Staatspräs­identen gilt als unwahrsche­inlich, da dieser im Gegensatz zum Premier eine allumfasse­nde Immunität genießt. Doch das Image von Johannis erhält dadurch erste erhebliche Kratzer – und mit den schönen Mieteinnah­men von der Raiffeisen-Bank könnte auch bald Schluss sein.

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