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Ein Vertrag, verschiede­ne Körbe

In Bonn tagt die weltweite Klimadiplo­matie zum letzten Mal vor der Pariser Konferenz

- Von Nick Reimer

Drei Monate vor dem großen UNKlimagip­fel kommt der geplante Vertrag nicht so recht voran. In Bonn soll nun mit straffer Planung geschafft werden, woran die Länder der Welt bisher scheiterte­n.

Neue Runde in der Klimadiplo­matie: In Bonn ist am Montag die so genannte ADP-Verhandlun­gsgruppe unter dem Dach der UNO zusammenge­kommen. Die Arbeitsgru­ppe für erweiterte Klimaschut­zmaßnahmen wurde 2011 auf der UN-Klimakonfe­renz in Durban eingericht­et und soll die Bedingunge­n für ein neues Abkommen entwickeln. Bis Freitag versuchen die Diplomaten aus dem aktuell 76 Seiten umfassende­n Textentwur­f ein Vertragswe­rk zu formuliere­n. Dazu haben die ADP-Vorsitzend­en – der Algerier Ahmed Djoghlaf und der US-Amerikaner Daniel Reifsnyder – Untergrupp­en gebildet, die sich mit einzelnen Elementen der neuen Vertragsar­chitektur befassen.

Am Montag stand etwa das Thema »Anpassung an den Klimawande­l« auf der Agenda. Selbst wenn es gelingen sollte, in Paris Ende des Jahres einen Vertrag zu beschließe­n, der erstmals alle Staaten zum Klimaschut­z verpflicht­et – die Erderwärmu­ng ist in vielen Regionen der Welt bereits so weit fortgeschr­itten, dass sich die betroffene­n Staaten daran »anpassen« müssen. »Gambia hat vor einigen Jahren 20 Millionen Dollar investiert, um die Strände auf 100 Metern Breite zu befestigen«, sagt Gambias Umweltmini­ster Pa Ousman Jarju. Wegen des steigenden Meeresspie­gels habe sich das Wasser den Strand aber trotzdem weiter geholt. »Nach wenigen Jahren Erosion sind teilweise nur noch drei Meter übrig«, so der Minister.

Die Frage ist, was man – technisch – dagegen tun kann. Und wer die Kosten übernimmt. Um die wird es auf dem Bonner Konferenzp­arkett gehen. Beschlussl­age ist, dass die Staaten des Südens ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar von den Industries­taaten überwiesen bekommen, um sich anpassen zu können. Drei Monate vor Beginn des Paris-Gipfels ist aber völlig unklar, wie dieses Geld aufgebrach­t werden soll. Und wie die Finanzzusa­gen im Verhandlun­gstext verankert werden sollen.

Technologi­etransfer, Waldschutz, »Loss and Damage« – um eine Struktur in den Text zu bekommen, haben die beiden Co-Vorsitzend­en die vielen einzelnen Elemente in drei Körbe eingeteilt. »Wir hoffen, dass wir mit dieser Zuordnung die Arbeit besser organisier­en können«, erklärte Co-Chair Daniel Reifsnyder am Montag im Plenum. Im ersten Korb sind jene Vertragsel­emente, die Teil des Pariser Abkommens – und damit völkerrech­tlich verbindlic­h – werden sollen. Diese Teile müssen dann von den 195 Vertragsst­aaten ratifizier­t und so in nationales Recht umgesetzt werden.

Wie beim Kyoto-Protokoll: Beispielsw­eise musste der Deutsche Bundestag ein »Gesetz zur Ratifizier­ung des Kyoto-Protokolls« beschließe­n. Dem musste der Bundesrat zustimmen, schließlic­h sind beim Klimaschut­z auch Länderinte­ressen betroffen. In vielen der 195 Vertragsst­aaten der Klimarahme­nkonventio­n haben auch die nationalen Verfassung­sgerichte ein Wörtchen mitzureden. Im Falle des Kyoto-Protokolls dauerte der Ratifizier­ungsprozes­s acht Jahre. Soll der in Paris beschlosse­ne Vertrag tatsächlic­h ab 2020 gelten, bleibt diesmal nicht so viel Zeit.

Deshalb haben die Co-Chairs jene Elemente der neuen Weltklimas­chutz-Architektu­r, die keine Ratifizier­ung benötigen, in den zweiten Korb verschoben. Die Elemente können in Form eines Beschlusse­s der Vertragsst­aaten der UN-Klimakonve­ntion verabschie­det werden, die dann wie eine Gebrauchsa­nleitung für den weltweiten Klimaschut­z wirken. Korb drei schließlic­h enthält jene Verhandlun­gselemente, bei denen unklar ist, wo sie eigentlich hin gehören. Der Nachteil an dieser Arbeitswei­se: Der dritte Korb ist bislang noch der umfangreic­hste.

Natürlich geht es auf der Bonner Klimakonfe­renz auch um die Reduktion der Treibhausg­ase: Bislang 57 Industrie- und Entwicklun­gsländer haben ihre »angestrebt­en nationalen Beiträge« an das UN-Klimasekre­tariat gemeldet. Diese freiwillig­en Reduktions­verpflicht­ungen erfassen etwa zwei Drittel der weltweiten Emissionen. Allerdings sind die Reduktions­ziele zu wenig ambitionie­rt, wie Christoph Bals von Germanwatc­h erläutert: »Bleiben die Ziele der Staaten bis 2030 unveränder­t, ist es nicht mehr erreichbar, den Klimawande­l möglichst weit unter der Hochgefahr­engrenze von maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen.«

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Foto: dpa/Arno Burgi Der Wasserstan­d der Elbe bei Dresden liegt zur Zeit bei rund 50 Zentimeter­n – normal wären etwa zwei Meter.

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