Ein Vertrag, verschiedene Körbe
In Bonn tagt die weltweite Klimadiplomatie zum letzten Mal vor der Pariser Konferenz
Drei Monate vor dem großen UNKlimagipfel kommt der geplante Vertrag nicht so recht voran. In Bonn soll nun mit straffer Planung geschafft werden, woran die Länder der Welt bisher scheiterten.
Neue Runde in der Klimadiplomatie: In Bonn ist am Montag die so genannte ADP-Verhandlungsgruppe unter dem Dach der UNO zusammengekommen. Die Arbeitsgruppe für erweiterte Klimaschutzmaßnahmen wurde 2011 auf der UN-Klimakonferenz in Durban eingerichtet und soll die Bedingungen für ein neues Abkommen entwickeln. Bis Freitag versuchen die Diplomaten aus dem aktuell 76 Seiten umfassenden Textentwurf ein Vertragswerk zu formulieren. Dazu haben die ADP-Vorsitzenden – der Algerier Ahmed Djoghlaf und der US-Amerikaner Daniel Reifsnyder – Untergruppen gebildet, die sich mit einzelnen Elementen der neuen Vertragsarchitektur befassen.
Am Montag stand etwa das Thema »Anpassung an den Klimawandel« auf der Agenda. Selbst wenn es gelingen sollte, in Paris Ende des Jahres einen Vertrag zu beschließen, der erstmals alle Staaten zum Klimaschutz verpflichtet – die Erderwärmung ist in vielen Regionen der Welt bereits so weit fortgeschritten, dass sich die betroffenen Staaten daran »anpassen« müssen. »Gambia hat vor einigen Jahren 20 Millionen Dollar investiert, um die Strände auf 100 Metern Breite zu befestigen«, sagt Gambias Umweltminister Pa Ousman Jarju. Wegen des steigenden Meeresspiegels habe sich das Wasser den Strand aber trotzdem weiter geholt. »Nach wenigen Jahren Erosion sind teilweise nur noch drei Meter übrig«, so der Minister.
Die Frage ist, was man – technisch – dagegen tun kann. Und wer die Kosten übernimmt. Um die wird es auf dem Bonner Konferenzparkett gehen. Beschlusslage ist, dass die Staaten des Südens ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar von den Industriestaaten überwiesen bekommen, um sich anpassen zu können. Drei Monate vor Beginn des Paris-Gipfels ist aber völlig unklar, wie dieses Geld aufgebracht werden soll. Und wie die Finanzzusagen im Verhandlungstext verankert werden sollen.
Technologietransfer, Waldschutz, »Loss and Damage« – um eine Struktur in den Text zu bekommen, haben die beiden Co-Vorsitzenden die vielen einzelnen Elemente in drei Körbe eingeteilt. »Wir hoffen, dass wir mit dieser Zuordnung die Arbeit besser organisieren können«, erklärte Co-Chair Daniel Reifsnyder am Montag im Plenum. Im ersten Korb sind jene Vertragselemente, die Teil des Pariser Abkommens – und damit völkerrechtlich verbindlich – werden sollen. Diese Teile müssen dann von den 195 Vertragsstaaten ratifiziert und so in nationales Recht umgesetzt werden.
Wie beim Kyoto-Protokoll: Beispielsweise musste der Deutsche Bundestag ein »Gesetz zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls« beschließen. Dem musste der Bundesrat zustimmen, schließlich sind beim Klimaschutz auch Länderinteressen betroffen. In vielen der 195 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention haben auch die nationalen Verfassungsgerichte ein Wörtchen mitzureden. Im Falle des Kyoto-Protokolls dauerte der Ratifizierungsprozess acht Jahre. Soll der in Paris beschlossene Vertrag tatsächlich ab 2020 gelten, bleibt diesmal nicht so viel Zeit.
Deshalb haben die Co-Chairs jene Elemente der neuen Weltklimaschutz-Architektur, die keine Ratifizierung benötigen, in den zweiten Korb verschoben. Die Elemente können in Form eines Beschlusses der Vertragsstaaten der UN-Klimakonvention verabschiedet werden, die dann wie eine Gebrauchsanleitung für den weltweiten Klimaschutz wirken. Korb drei schließlich enthält jene Verhandlungselemente, bei denen unklar ist, wo sie eigentlich hin gehören. Der Nachteil an dieser Arbeitsweise: Der dritte Korb ist bislang noch der umfangreichste.
Natürlich geht es auf der Bonner Klimakonferenz auch um die Reduktion der Treibhausgase: Bislang 57 Industrie- und Entwicklungsländer haben ihre »angestrebten nationalen Beiträge« an das UN-Klimasekretariat gemeldet. Diese freiwilligen Reduktionsverpflichtungen erfassen etwa zwei Drittel der weltweiten Emissionen. Allerdings sind die Reduktionsziele zu wenig ambitioniert, wie Christoph Bals von Germanwatch erläutert: »Bleiben die Ziele der Staaten bis 2030 unverändert, ist es nicht mehr erreichbar, den Klimawandel möglichst weit unter der Hochgefahrengrenze von maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen.«