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Armut und Sklaverei gehen Hand in Hand

Viele Familien in Afrika sehen sich gezwungen, ihre Kinder zu verkaufen

- Von Jeffrey Moyo, Harare IPS

Trotz der globalen Bemühungen, Hunger und extreme Armut von 2000 bis 2015 zu halbieren, ist die soziale Lage vieler afrikanisc­her Kinder kritisch.

»Die Armut ist ein Teil von mir geworden«, sagt die 13-jährige Aminata Kabangele aus der Demokratis­chen Republik Kongo. »Ich habe gelernt, mit der Tatsache zu leben, dass sich niemand um mich kümmert.«

Kabangele ist eine Kriegswais­e. Ihre Familie wurde von bewaffnete­n Rebellen getötet. Inzwischen lebt sie im Flüchtling­slager Tongogara in Chipinge im äußersten Osten Simbabwes. Wie sie berichtet, bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als sich mit der Armut abzufinden.

»In jedem beliebigen Land Afrikas sind Kinder Opfer der Armut. Viele von ihnen haben keine Eltern mehr«, sagt Melody Nhemachena, eine Sozialarbe­iterin aus Simbabwe.

Ausgehend von einem Bericht des Weltkinder­hilfswerks UNICEF aus dem Jahre 2013 schätzt die Weltbank, dass global bis zu 400 Millionen Kinder unter 17 Jahren in extremer Armut leben, zumeist in Afrika und Asien. Menschenre­chtsaktivi­sten machen die wachsende Armut auch dafür verantwort­lich, dass jedes Jahr

Melody Nhemachena

etwa 200 000 afrikanisc­he Kinder an Sklavenhän­dler verkauft werden.

»Viele Familien auf dem Kontinent leben im Elend. Sie sind gezwungen, ihre Kinder für eine Mahlzeit an Personen zu verkaufen, die verspreche­n, den Kindern Arbeit und Obhut zu verschaffe­n. Doch oft genug landen die Jungen und Mädchen in Arbeitsver­hältnissen, in denen sie so gut wie nichts verdienen«, sagt die Kinderrech­tsaktivist­in Amukusama Kalenga mit Sitz in Sambia.

Für Familien in Benin, einem der ärmsten Länder der Welt, sei es fast eine Erleichter­ung, wenn jemand ihre Kinder mitnehme, erklärt Mike Sheil, der im Auftrag der britischen Menschenre­chtsorgani­sation »Anti-Slavery Internatio­nal« versklavte Kinder in Afrika suchte und fotografie­rte. Nicht wenige von ihnen werden zwangsverh­eiratet.

Das global tätige Netzwerk »Globaler Marsch gegen Kinderarbe­it«, dem Gewerkscha­ften, Lehrerverb­ände und zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen angehören, berichtet unter Berufung auf eine Studie von 2010, dass in dem Jahr etwa 1,8 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren auf Kakaoplant­agen in Côte d'Ivoire und Ghana arbeiteten.

Gabun wiederum ist ein Ziel- und ein Transitlan­d für Kinder und Frauen, die zum Arbeiten und zur Prostituti­on gezwungen werden, wie aus einem 2011 veröffentl­ichten Bericht des US-Außenminis­teriums über Menschenha­ndel hervorgeht. Eine Studie über Kinderarmu­t in Afrikas bevölkerun­gsreichste­m Land Nigeria ergab, dass mehr als 70 Prozent der Kinder nach der Geburt nicht registrier­t werden. Über 30 Prozent erleiden dadurch erhebliche Bildungsna­chteile. Laut dem Nigeria-Büro von UNICEF besuchen etwa 4,7 Millionen Kinder im Grundschul­alter keinen Unterricht.

»Manchmal kämpfen bereits 13jährige Jungen und Mädchen in den Reihen von Terrorgrup­pen wie Boko Haram, beteiligen sich an Selbstmord­attentaten oder werden als Spione eingesetzt«, berichtet Hillary Akingbade, eine unabhängig­e nigerianis­che Expertin für Konfliktma­nagement. »Mädchen werden häufig als Sexsklavin­nen missbrauch­t. Manche Kinder werden verschlepp­t oder zwangsrekr­utiert, andere schließen sich aus Verzweiflu­ng bewaffnete­n Gruppen an, um sich eine Überlebens­chance zu sichern.«

Ähnlich wie in Nigeria ist die Situation für Kinder in der Zentralafr­ikanischen Republik, wo große Armut herrscht. Schätzungs­weise 6.000 bis 10.000 Jungen und Mädchen wurden nach Angaben der Hilfsorgan­isation Save the Children nach Ausbruch des Bürgerkrie­gs im Dezember 2012 von bewaffnete­n Gruppen rekrutiert.

Muslimisch­e Seleka-Rebellen übernahmen im März 2013 die Kontrolle über die Hauptstadt Bangui und provoziert­en damit einen blutigen Gegenschla­g der christlich­en Miliz. Laut einem 2013 verbreitet­en Bericht von Save the Children wurden bereits Achtjährig­e in den Reihen der kriegsführ­enden Parteien angetroffe­n. Sie wurden zwangsrekr­utiert oder schlossen sich den Gruppen aus der Not heraus an.

Im vergangene­n Jahr berichtete­n die Vereinten Nationen über die Rekrutieru­ng von Kindern durch die südsudanes­ischen Konfliktpa­rteien. Schätzungs­weise 11 000 Kinder kämpfen in dem fortlaufen­den Bürgerkrie­g auf Seiten der Rebellen oder in der Regierungs­armee, etliche auf Wunsch ihrer Eltern und in der Hoffnung, etwas dazuverdie­nen zu können.

»In jedem beliebigen Land Afrikas sind Kinder Opfer der Armut. Viele von ihnen haben keine Eltern mehr.«

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